Prolog
Der eine oder andere hat vielleicht kürzlich meinen Versuch verfolgt, das Modernist-Cuisine-Rezept für die karamellisierte Karottensuppe auf Spargel umzubauen und dass ich nur begrenzt zufrieden war.Das Problem war, dass das Kochen im Druckkochtopf nicht nur die mild-cremigen Elemente des Spargels verstärkt hatte, sondern auch das garstigste aus den Tiefen der Stangen, eine große Bitterkeit, hervorbrachten. Dies konnte ich zwar dank des sich in mein kulinarisches Gedächtnis eingeprägten Satzes vom großen Meister Heston Blumenthal "if something's too bitter, don't add sugar, add salt!" noch etwas sanieren, aber wirklich ganz zufrieden war ich nicht.
Da es ohne Druckkochtopf im Grunde eine hundsgewöhnliche Spargelsuppe wäre, war ich erstmal überfragt, wie ich das ändern könnte, denn genau das "Kernelement" der Suppe hat einen unerwünschten Nebeneffekt.
Es bräuchte irgendwie Spargel, der nach cremigem Spargel schmeckt aber möglichst wenig Bitterkeit hat, sodass nur die guten Aromen im Durckkochtopf verstärkt werden. Das ist nur möglich, wenn der Spargel von Anfang an gar keine garstigen Aromen hat...
Hmmm... irgendwas war doch da kürzlich mit Ostern, Pfingsten, Boxen...
Hatte nicht einer der Meister des guten Geschmacks
Achja, ich weiß es wieder
Das Sakrileg
Im Rahmen der großartigen Pfingstbox-Aktion wurde mir die Ehre zuteil, als nur einer von zwei Bestellern, ein ganzes komplettes "untouched"-Bündel Robert Blanc Spargel zu bekommenWas macht man nun mit so einer Reliquie? Ausstellen, einem Museum spenden, den Hunger in der Welt stillen oder möglichst viele Freunde mit ganz vorsichtig und schonend im Sous Vide gegartem Robert Blanc Spargel verblüffen?
Ja, kann man machen
oder man wirft ihn in den Mixer* und zermantscht ihn zu SUPPE
(*Darstellung stark vereinfacht - die tatsächliche Zubereitung erfordert unter anderem einen Pakt mit dem Teufel und ein Karpaltunnelsyndrom)
Da ich jetzt nicht riskieren wollte, aus der @Kimble -Adressliste gestrichen zu werden, kurz rückversichert und Kimble eine kurze Nachricht geschrieben:
Seine Antwort:Ist es ein unverzeihliches Sakrileg, Robert blanc in den Mixer zu werfen?
Ihn persönlich ja, seinen Spargel nein
Gut, also dann, frisch ans Werk
Die Idee 2.0
Ein neuer Ansatz erfordert immer, alte Ideen zu hinterfragen.Im letzten Rezept habe ich mich dazu entschieden, als "Streckung" des druckgegarten Spargels einen Spargelfond anzusetzen, also Spargelstück in Wasser garen um so den Geschmack auf das Wasser zu transferieren. Die Idee war, aus den "garstigen" Abschnitten nur das milde Aroma zu holen.
Doch dieses Mal hatte ich andere Zutaten. Solche, wo ein offenbar genialer Züchter die Garstigkeit aus den Spargeln herausgepeitscht hat
Schon bei der letzten Suppe meinte jemand, warum ich den Spargel nicht einfach entsaftet habe - dieses Mal war aber genau das der Weg.
Das Rezept blieb grundsätzlich unverändert:
Für das Püree:
475g geschälter Robert Blanc "Center Cut"
100g (Bordier-)Butter
30g Wasser
5g Salz
2,5g Natron
Dazu 550g Spargelsaft von geschälten (!) Robert Blanc-Enden
Der "Saft" 2.0
Ich wollte, alleine schon um es nicht zur "Billionaire's Edition" verkommen zu lassen, weiterhin den "Saft" aus den holzigen Enden bekommen. Doch die garstigen Enden entstaften, dann holt man eventuell erst recht wieder heraus was man nicht wollte - aber die meisten Bitterstoffe liegen beim spargel direkt in und knapp unter der Schale. Deshalb wurden Kurzerhand ein paar Enden MIT und ein paar Enden OHNE Schale entsaftet:
Und der Unterschied könnte nicht frappierender sein.
Mit Schale baut sich nach einem positiven ersten Eindruck (rund, mild) zunehmend ein wirklich intensives Bitteraroma auf
Ohne Schale hingegen bleibt das überraschend runde, milde Aroma ohne den Stich am Ende.
Somit sollte sich die böse Vorahnung meines Mannes doch noch Bewahrheiten:
Als ich meinem Mann erzählte, dass ich eine karamellisierte Spargelsuppe machen zu wollen, wurde er zuerst etwas bleich, da er sich vor seinem geistigen Auge schon den restlichen Abend irgendwelche ominösen "Filets" aus dem Spargelinneren schaben sah.
Dieses Mal waren es zwar nicht die Filets, aber es wollte eine gefühlte Wagenladung an Spargelenden geschält werden, denn @Kimble hat uns freundlicherweise mit zwei Packungen aus den Abschnitten aus dem "Menüspargel" der Pfingstbox versorgt.
Da wir diese - und bitte dies als offizielle Beschwerde zu verstehen - tatsächlich ungewaschen erhalten haben wurden sie erstmal gut geschrubbt (denn die Schalen wollte ich aufbewahren)
und dann nicht mit dem Sparschäler geschält (der wäre wohl daran zu Grunde gegangen) sondern mit einem kleinen Küchenhobel abgehobelt. Der Vorteil ist hier gleichzeitig, dass etwas dicker abgeschält wird, was auch die "Schalen-nahen" Bitterstoffe wegschneidet
Nach eine gefühlten Ewigkeit, die uns sehr an gewisse Karottenexperimente erinnert hat, war es dann geschafft:
Das sind jetzt die Enden aus den Resten des "Menüspargels", somit eine Mischung aus Robert Blanc und Sauvecanne. Wir haben zusätzlich noch die Abschnitte des für die Suppe selbst verwendeten reinen Robert Blancs gehobelt und ich habe auch einen Vergleich gemacht zwischen dem Saft aus reinem Robert Blanc und aus der Mischung. Der Unterschied ist da, aber mMn nicht so ausgeprägt, dass es jetzt völlig undenkbar ist, den Saft des gemischten Spargels zu verwenden. Ich habe auch die Ausbeute des Saftes aus dem reinen Blanc-Spargel mit etwas gemischtem Saft gestreckt um auf die Menge zu kommen, die man für die Suppe braucht.
Also alles rein in den Entsafter:
Und als Resultat aus ca. 2,5 Kilo (geschält) gemischten Spargelenden und dem Abschöpfen des Schaums blieb dann:
Aus den Robert-Blanc-enden, die ich leider nicht gemessen habe, waren es etwa 450ml Spargelsaft, die ich dann wie erwähnt mit dem "gemischten" Saft auf die benötigten ca. 550g Saft gestreckt habe. Wer gerade keine "zusätzlichen" Enden übrig hat, kann es aber sicher auch mit Wasser strecken.
Das karamellisierte Püree 2.0
Hier habe ich mich an meinem ersten Versuch orientiert, also wieder die "Center Cuts" für das Püree und die Spitzen als Einlage - ein beherzter Schnitt:Und die Center Cuts dann etwas kleiner Würfeln bis man ca, 475 Gramm center cuts hat:
Dann wie gehabt, 100 Gramm (Bordier-)Butter schmelzen - entweder man nimmt die "Doux" und gibt 5g Salz dazu, oder man nimmt die Demi Sel und gibt die auf 5 Gramm fehlende Salzmenge, ca. 3,5 g, noch hinzu). Da ich keine Doux hatte, habe ich die Variante Demi Sel genommen.
Die Butter schmelzen, Die Wasser-Salz-Natron-Mischung (30/5/2,5g) dazu, den Spargel rein (nicht anbräunen!), gut durchmischen, Deckel drauf und auf Stufe 1 für 20 minuten Kochen.
Nach 20 Minuten, in denen sich wie letztes Mal der intensive Geruch nach Popcorn breit macht, ist die Grundmasse für das Püree fertig:
Finale
Der Inhalt des Druckkochtopfes wird dann mit dem "Spargelsaft" in einen Blender gegeben und gut durchgemixtDann zurück in den kochtopf, einmal vorsichtig aufkochen lassen und mal kosten
Hier war ich gleichzeitig begeistert und etwas enttäuscht.
Denn das Experiment war insoweit sehr geglückt, als absolut keine störende Bitterkeit mehr in der Suppe war. Gleichzeitig hat es mich aber nicht so "umgehauen", wie die Karottensuppe.
Dabei sind aber zwei Dinge zu beachten: 1. Spargel ist natürlich wesentlich dezenter als eine Karotte und die "Karamellisation" bringt im Spargel weniger, da er weniger Zuckeranteil hat und auch die Maillard-Reaktion weniger intensiv ausfällt.
Interessanterweise hat sich der Geschmack aber verstärkt und abgerundet, nachdem ich die Suppe ca. 1 Tag bei etwa 10 Grad stehen gelassen habe - ich kann es noch nicht ganz erklären, aber am nächsten Tag schmeckte die Suppe deutlich intensiver.
Also am nächsten Tag die Suppe nochmal aufkochen, dann die Spitzen reingeben und ohne Kochen die Spitzen ein paar Minuten ziehen lassen, bis sie die richtige Konsistenz haben.
Servieren, fertig (das Plating ist ewas missglückt - die Spitzen sind alle wie beim Bowling umgefallen )
Fazit
So, jetzt habe ich erstmal geschafft, was ich mir vorgenommen hatte. Den Versucht, das Modernist-Cuisine Rezept auf Spargel umzumünzenDer erste Versuch war mäßig erfolgreich und endete mit einer 7,5/10
Mit Robert Blanc habe ich das "garstige" aus der Supper rausbekommen - und ich denke, dass hier wohl nicht mehr die Welt an "Verbesserung" möglich ist.
Ist es jetzt aber die "beste Spargelsuppe der Welt"? Nun - ich antworte jetzt so wie ich meistens auch in meinem Beruf antworte: "Es kommt drauf an"
Es ist zweifellos ein sehr komplexer und interessanter Geschmack, den diese Technik aus dem Spargel hervorbringt. Es fördert einen süßlich-cremigen Geschmack hervor - gleichzeitig verliert das Gericht aber ein wenig an "Natürlichkeit" - wenn das Kriterium lautet, dass es einen unfassbar intensiven und sehr natürlichen Geschmack nach Spargel produziert, müsste man das Experiment wohl als gescheitert betrachten.
Wenn man aber "Ergebnisoffen" dran geht, mit der Frage "Was ist mit Spargel möglich", dann ja, in dieser Hypothese wäre es wohl direkt nach dem Kochen eine 8,5/10 und am Folgetag sogar eine 9/10.
Werde ich das nochmal machen?
Ja, aber nur wenn Robert Blanc Spargel plötzlich zum Discounterpreis angeboten wird ( @Kimble bitte nachverhandeln!)
Denn auch wenn meine Gäste (darunter auch die beiden, die letztens die karamellisierte Karottensuppe bei uns gekostet haben) durchaus begeistert waren (wenn auch nicht "so sehr" wie damals bei der Karottensuppe - das ist aber wohl auch den Unterschieden zwischen Karotten und Spargel geschuldet, die nicht nur in der unterschiedlichen Farbe liegen) - stellt sich an einem gewissen Punkt die Frage, ob ein Wareneinsatz von ca. 35 Euro pro Teller (!) für den Spargel wirklich im Verhältnis zum Ergebnis steht - das sollte man wohl vernünftigerweise verneinen.
Das heißt natürlich nicht, dass ich mich nicht über Nachahmer freuen würde und vllt. noch jemand weitere Verbesserungen finden würde, aber ich werde - nicht zuletzt auch in Anbetracht der bald endenden Spargelsaison - das Thema Spargelsuppe erstmal "ad acta" legen.
Ich hoffe, ihr hattet trotzdem freude und konntet die eine oder andere Inspiration mitnehmen
PS: Vielleicht wird es nicht der allerletzte Akt gewesen sein, denn irgendwas muss ich mit diesen beiden Paketen Spargelsaft noch anfangen
...The End (?)