Wenn asiatische Touristen ein alpines Panorama suchen, komme sie nach Halstatt in Österreich, suchen Touristen aus Asien nach einem deutschen Klischee zieht es sie entweder auf das Oktoberfest oder in den Schwarzwald.
Einer der beiden kulinarischen Hauptakteure in diesem Schwarzwalddorf ist das Bareiss mit ***, das in punkto Kitsch so ziemlich jedes Klischee erfüllt. Trotzdem ist es auf seine Art authentisch, denn die Familie Bareiss lebt diese Atmosphäre tatsächlich, so dass man als Gast bei Claus-Peter Lumpp und im Hotel einen wirklich großartigen Tag erleben kann, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen (und pseudoantike Skulpturen ignoriert ). All das ist hilfreich zu wissen, wenn man sich in das linksrheinische Oberkassel begibt, wo seit 9 Jahren das Lokal Dorfstube einen Hauch Schwarzwald nach Düsseldorf bringt. „Dorf“ passt perfekt zum Stadtteil Oberkassel, da sich dort die wohlhabende Bevölkerung unglaublich gerne mit sich selbst beschäftigt und das gegenseitige „Sehen und gesehen werden“ deutlich mehr als die kulinarische Qualität der lokalen Restaurants schätzt.
Dort ist Christian Bareiss als Patron zu Hause, einer der beiden Söhne der Baiersbronner Hotelier-Familie, der im Anschluss an seiner Kochlehre zunächst BWL in London studiert hat, schließlich aber doch zu seinen Wurzeln zurückkehrte. Dazu sammelte er über Jahre altes Schwarzwälder Interieur, um damit das Lokal wie eine echte Dorfstube in Baiersbronn aussehen zu lassen. Das ist ihm zweifelsohne geglückt:
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber zumindest beim Essen gibt es glücklicherweise objektive Kriterien. Dorfstuben-Chefkoch Sebastian Mülders hat erwartungsgemäß ebenfalls im Bareiss gelernt bevor er nach diversen Jobs in Restaurant-Ketten und Hotels wieder zur alten Heimat zurück fand. Angesichts des Bib-Gourmands und der Verbindung zu einem ***-Restaurants gibt es natürlich eine gewisse Erwartungshaltung, die die Karte allerdings nicht bestätigen kann:
Zwei Suppen, eine kalte, eine warme Vorspeise sind schon eine recht übersichtliche Auswahl im Vergleich zu anderen Restaurants auf BIB-Niveau.
Auch bei den Hauptspeisen ist die Auswahl doch eher überschaubar. Was ein „Wiener Schnitzel“, „Grünkohl mit Mettwurst“ (für ambitionierte 19 €), eine „Barbarie-Ente“ und ein „Black Angus“ in einem authentischen Schwarzwälder Restaurant zu suchen haben, werde ich wohl nie verstehen. Auch ein Flammkuchen stammt zwar aus der Gegend, ist jedoch eher kein typisches Schwarzwälder Gericht, so das am Ende genau drei potentielle Hauptspeisen übrig bleiben. Wäre man öfter zu Gast, wäre es jenseits der Klassiker sogar nur Eine:
Während ich auf meine Bestellung warte, blättere ich durch die Weinkarte auf der Suche nach einem passenden Tropfen. Die Lust auf eine gute Flasche vergeht mir weniger anhand der für ein anspruchsvolles Restaurant sehr überschaubaren Karte mit gerade einmal zwei Dutzend regulärer Positionen, sondern primär aufgrund der extrem üppigen Kalkulation. So steht ein schlichter Dreissigacker Grauburgunder, der im EK unter 8 € liegt, für satte 45€ auf der Karte:
Nun muss man auch positive Dinge erwähnen und das ist definitiv der Service, der alles tut, um den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Das ist allerdings nicht ganz einfach, wenn im nahezu vollen Lokal nur eine Servicekraft mit Hilfe zugegen ist, die allerdings trotz des Stresses immer die Übersicht und vor allen Dingen Freundlichkeit bewahrt.
Der freundlichste Service hilft natürlich wenig, wenn man beim schnellen Lunch geschlagene 55 Minuten auf
Ein gebratenes Schwäbisches Maultäschle
auf Kartoffel-Gurkensalat mit Zwiebelschmälze an dunkler Kalbsjus
warten muss. Trotz des Hungers reduziert sich die Vorfreude schnell, denn die Maultasche ist innen dünn und sehr fest, fast wie gepresst, und dabei relativ trocken. Man könnte vielleicht darüber hinwegsehen, wenn sie nicht den größten Teil der Vorspeise ausmachen würde.
Dazu kommt eine Säure in allen Komponenten, die durch ihre Dominanz fast jeden anderen Geschmack überlagert. Für eine Dorfstube im tiefsten Schwarzwald ist das vielleicht noch o.k., aber sicher nicht für ein BIB-Restaurant.
Keine 5 min später kommt der Hauptgang, womit die gute Stunde für den Lunch zwar theoretisch passt, nur die Zeiteinteilung sehr speziell ist. Von der Menge her ist der Zwiebelrostbraten die Trucker-XXL-Portion:
die nichtsdestotrotz optisch ansprechend serviert wird.
Unser Schwäbischer Zwiebelrostbraten vom Bauernhof-Kalb
an kräftiger Kalbsglace mit blanchiertem Gemüse, einer gebratenen Schwäbischen Maultasche, Röstzwiebeln und geschabten Spätzle
Die Spätzle sind wirklich ordentlich und so, wie man es von einem guten Schwarzwälder Restaurant erwartet.
Die Maultasche ist sogar (unerklärlicherweise) deutlich besser als in der Vorspeise, luftig und passend zum Teig. Man mag kaum glauben, dass beide Maultaschen aus der selben Küche kamen. Die erste (und einzige) Komponente, bei der man den BIB nachvollziehen kann, allerdings ist es in diesem Falle nur die Beilage.
Leider kann das Kalbfleisch dabei nicht annähernd mithalten, bei dem es wohl eher um die schiere Menge als die Qualität geht. Der Garpunkt ist zwar o.k., aber die Konsistenz weit von einem butterzarten Stück Kalb entfernt, so dass der Kiefer auf Hochtouren arbeiten muss, um das Fleisch zu bewältigen, und am Ende der größte Teil des Fleisches auf dem Teller verbleibt.
Ein Blick auf die Nachtischkarte und die Nachbartische lässt mich von „Bayrisch Creme“ und „Schwarzwälder Kirsch“ Abstand nehmen, denn die Bezeichnungen sind kein Augenzwinkern, sondern das authentische Grauen aus den 80ern .
So verlasse ich nach insgesamt knapp 2 Stunden das Lokal übersättigt und eher unzufrieden. Die Dorfstube passt zu Oberkassel, aber nicht zu Düsseldorf.
Fazit:
Ich hatte ursprünglich die Idee, dass die Dorfstube zwar eine Anlehnung an den Schwarzwald sei, aber letztendlich die kulinarisch moderne Version der jüngeren Generation für die Großstadt des 21. Jahrhundert. Diese Hoffnung wurde leider nicht erfüllt, denn die Dorfstube ist einerseits kulinarisch vom Original Barreiss ungefähr so weit entfernt wie der Ural, andererseits so spießig wie ein Gasthof im Hochschwarzwald. Da fahre ich doch lieber einmal im Jahr zum Lunch ins Original und habe ein hervorragendes Essen mit tollen Weinen in authentischer Atmosphäre statt einem Dorflokal in einer Großstadt.
Genau dieses Klischee wird in Baiersbronn perfekt bedient, wo man permanent das Gefühl hat, der ganze Ort sei nicht anderes als eine Art großes Disneyland, so dass sich die Realität hinter künstlichen Fassaden verbirgt, die man abends wegklappen kann. Trotz der Spitzengastronomie (aktuell insgesamt 8 Sterne bei 15.000 Einwohnern) wird man das Gefühl nicht los, Akteur in einer Scripted-Reality zu sein, wo irgendwann die versteckte Kamera aufklärt, dass all das nicht real ist, sondern eine tägliche Theater-Aufführung des ganzen Dorfes für die Touristen.Der Schwarzwald steht für die Sehnsucht nach der heilen Welt, intakter Natur, herrlichen Landschaften und einem ausgeprägten Brauchtum. Will heißen: Bollenhut, Trachtenkleidern – und natürlich Kuckucksuhren, [er] profitiert ganz klar vom Klischee.
Einer der beiden kulinarischen Hauptakteure in diesem Schwarzwalddorf ist das Bareiss mit ***, das in punkto Kitsch so ziemlich jedes Klischee erfüllt. Trotzdem ist es auf seine Art authentisch, denn die Familie Bareiss lebt diese Atmosphäre tatsächlich, so dass man als Gast bei Claus-Peter Lumpp und im Hotel einen wirklich großartigen Tag erleben kann, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen (und pseudoantike Skulpturen ignoriert ). All das ist hilfreich zu wissen, wenn man sich in das linksrheinische Oberkassel begibt, wo seit 9 Jahren das Lokal Dorfstube einen Hauch Schwarzwald nach Düsseldorf bringt. „Dorf“ passt perfekt zum Stadtteil Oberkassel, da sich dort die wohlhabende Bevölkerung unglaublich gerne mit sich selbst beschäftigt und das gegenseitige „Sehen und gesehen werden“ deutlich mehr als die kulinarische Qualität der lokalen Restaurants schätzt.
Dort ist Christian Bareiss als Patron zu Hause, einer der beiden Söhne der Baiersbronner Hotelier-Familie, der im Anschluss an seiner Kochlehre zunächst BWL in London studiert hat, schließlich aber doch zu seinen Wurzeln zurückkehrte. Dazu sammelte er über Jahre altes Schwarzwälder Interieur, um damit das Lokal wie eine echte Dorfstube in Baiersbronn aussehen zu lassen. Das ist ihm zweifelsohne geglückt:
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber zumindest beim Essen gibt es glücklicherweise objektive Kriterien. Dorfstuben-Chefkoch Sebastian Mülders hat erwartungsgemäß ebenfalls im Bareiss gelernt bevor er nach diversen Jobs in Restaurant-Ketten und Hotels wieder zur alten Heimat zurück fand. Angesichts des Bib-Gourmands und der Verbindung zu einem ***-Restaurants gibt es natürlich eine gewisse Erwartungshaltung, die die Karte allerdings nicht bestätigen kann:
Zwei Suppen, eine kalte, eine warme Vorspeise sind schon eine recht übersichtliche Auswahl im Vergleich zu anderen Restaurants auf BIB-Niveau.
Auch bei den Hauptspeisen ist die Auswahl doch eher überschaubar. Was ein „Wiener Schnitzel“, „Grünkohl mit Mettwurst“ (für ambitionierte 19 €), eine „Barbarie-Ente“ und ein „Black Angus“ in einem authentischen Schwarzwälder Restaurant zu suchen haben, werde ich wohl nie verstehen. Auch ein Flammkuchen stammt zwar aus der Gegend, ist jedoch eher kein typisches Schwarzwälder Gericht, so das am Ende genau drei potentielle Hauptspeisen übrig bleiben. Wäre man öfter zu Gast, wäre es jenseits der Klassiker sogar nur Eine:
Während ich auf meine Bestellung warte, blättere ich durch die Weinkarte auf der Suche nach einem passenden Tropfen. Die Lust auf eine gute Flasche vergeht mir weniger anhand der für ein anspruchsvolles Restaurant sehr überschaubaren Karte mit gerade einmal zwei Dutzend regulärer Positionen, sondern primär aufgrund der extrem üppigen Kalkulation. So steht ein schlichter Dreissigacker Grauburgunder, der im EK unter 8 € liegt, für satte 45€ auf der Karte:
Nun muss man auch positive Dinge erwähnen und das ist definitiv der Service, der alles tut, um den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Das ist allerdings nicht ganz einfach, wenn im nahezu vollen Lokal nur eine Servicekraft mit Hilfe zugegen ist, die allerdings trotz des Stresses immer die Übersicht und vor allen Dingen Freundlichkeit bewahrt.
Der freundlichste Service hilft natürlich wenig, wenn man beim schnellen Lunch geschlagene 55 Minuten auf
Ein gebratenes Schwäbisches Maultäschle
auf Kartoffel-Gurkensalat mit Zwiebelschmälze an dunkler Kalbsjus
warten muss. Trotz des Hungers reduziert sich die Vorfreude schnell, denn die Maultasche ist innen dünn und sehr fest, fast wie gepresst, und dabei relativ trocken. Man könnte vielleicht darüber hinwegsehen, wenn sie nicht den größten Teil der Vorspeise ausmachen würde.
Dazu kommt eine Säure in allen Komponenten, die durch ihre Dominanz fast jeden anderen Geschmack überlagert. Für eine Dorfstube im tiefsten Schwarzwald ist das vielleicht noch o.k., aber sicher nicht für ein BIB-Restaurant.
Keine 5 min später kommt der Hauptgang, womit die gute Stunde für den Lunch zwar theoretisch passt, nur die Zeiteinteilung sehr speziell ist. Von der Menge her ist der Zwiebelrostbraten die Trucker-XXL-Portion:
die nichtsdestotrotz optisch ansprechend serviert wird.
Unser Schwäbischer Zwiebelrostbraten vom Bauernhof-Kalb
an kräftiger Kalbsglace mit blanchiertem Gemüse, einer gebratenen Schwäbischen Maultasche, Röstzwiebeln und geschabten Spätzle
Die Spätzle sind wirklich ordentlich und so, wie man es von einem guten Schwarzwälder Restaurant erwartet.
Die Maultasche ist sogar (unerklärlicherweise) deutlich besser als in der Vorspeise, luftig und passend zum Teig. Man mag kaum glauben, dass beide Maultaschen aus der selben Küche kamen. Die erste (und einzige) Komponente, bei der man den BIB nachvollziehen kann, allerdings ist es in diesem Falle nur die Beilage.
Leider kann das Kalbfleisch dabei nicht annähernd mithalten, bei dem es wohl eher um die schiere Menge als die Qualität geht. Der Garpunkt ist zwar o.k., aber die Konsistenz weit von einem butterzarten Stück Kalb entfernt, so dass der Kiefer auf Hochtouren arbeiten muss, um das Fleisch zu bewältigen, und am Ende der größte Teil des Fleisches auf dem Teller verbleibt.
Ein Blick auf die Nachtischkarte und die Nachbartische lässt mich von „Bayrisch Creme“ und „Schwarzwälder Kirsch“ Abstand nehmen, denn die Bezeichnungen sind kein Augenzwinkern, sondern das authentische Grauen aus den 80ern .
So verlasse ich nach insgesamt knapp 2 Stunden das Lokal übersättigt und eher unzufrieden. Die Dorfstube passt zu Oberkassel, aber nicht zu Düsseldorf.
Fazit:
Ich hatte ursprünglich die Idee, dass die Dorfstube zwar eine Anlehnung an den Schwarzwald sei, aber letztendlich die kulinarisch moderne Version der jüngeren Generation für die Großstadt des 21. Jahrhundert. Diese Hoffnung wurde leider nicht erfüllt, denn die Dorfstube ist einerseits kulinarisch vom Original Barreiss ungefähr so weit entfernt wie der Ural, andererseits so spießig wie ein Gasthof im Hochschwarzwald. Da fahre ich doch lieber einmal im Jahr zum Lunch ins Original und habe ein hervorragendes Essen mit tollen Weinen in authentischer Atmosphäre statt einem Dorflokal in einer Großstadt.