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Grillen für den Chef - oder wie man sich die Karriere ruiniert

Willen_Zum_Grillen

Veganer
5+ Jahre im GSV
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll, aber irgendwie muss ich den größten Grillfauxpas meines Daseins jetzt einfach mal loswerden. Diesmal wird nicht mit tollen Bildern berichtet, sondern einfach nur eine dramatische Geschichte erzählt, die sich vergangene Woche so zugetragen hat.
Wenn ich etwas leidenschaftlich gern tue, kann ich es auch nicht unterlassen mein Umfeld davon in Kenntnis zu setzen. So hatte es sich bei mir am Arbeitsplatz relativ schnell herumgesprochen, dass ich gern und häufig ein schönes Stück Fleisch auf den Grill lege. Ich bin dort zudem auch noch der "Neue", der gerade erst angefangen hat, jedoch kein Barbecue-Battle mit den "Alteingesessenen" scheuen würde. Ob Familie, Freunde oder Nachbarn, bisher hatte ich immer nur viel Lob bekommen. Dazu noch die Vergangenheit einer Fleischerlehre und einigen Gesellenjahren in der Produktion, da kann man sich ruhig mal weit aus dem Fenster lehnen - dachte ich mir.
Mein neuer Chef outete sich als echter Steakgourmet, schnell kamen wir bei dem Thema zusammen. Ich kann gar nicht sagen, ob ich ihn einlud oder er sich selbst eingeladen hatte. "Ich komme dann mit meiner Frau zum schönen Steakessen vorbei". Ist auch egal, die Steilvorlage kam von mir selbst.
"Au weia, der Chef kommt mit seiner Frau zum Grillabend. Da darf nix schief laufen! Nur vom Besten!"
Ob das Event stattfinden konnte, war aber noch von einigen Randbedingungen abhängig: Wetter, Terminlage, Arbeitsaufkommen, etc.
Normalerweise wäre ich bei fester Planung zum Fleischer im Hofladen meines Vertrauens gegangen und hätte ein ganzes Rinderfilet vom Charolais-Jungbullen (ggf. auch Färse) aus der Region "Hohe Börde" vier Wochen vorher vorbestellt. Dry-Aged versteht sich! Doch eben die unsicheren Randbedingungen hielten mich davon ab. Statt dessen bestellte ich beim ortsansässigen Fleischer kurzfristig ein Rinderfilet. Ich erhielt zu einem stolzen Preis eine Qualität, die ich sicher auch bei der Metro bekommen hätte. Vakuumiertes Fleisch aus Argentinien. Wir alle kennen den fast schon beißend sauren Geruch der anaeroben Milchsäurereifung, wenn man die Vakuumverpackung öffnet. Ist ja eigentlich kein Qualitätsmangel, wenn das Fleisch nicht zu stark reifen musste. Trotzdem hatte ich Bedenken. Am Vorabend vor dem Besuch wurden Kopf und Spitze des Filets einem Test unterzogen. Geschmacklich ausgezeichnet, aber leider nur mittelmäßig zart. Ich setzte mein vollstes Vertrauen in das übrig gebliebene Mittelstück. Um dem Ganzen den letzten Pfiff zu geben, bestellte ich auch rechtzeitig vor dem Besuch das Weber Sear Grate. Es sei ganz nebenbei erwähnt, dass ich schon lange scharf darauf war und keinen Cent dieser Anschaffung bereue. Ein Muss für beste Steaks. Ja, was konnte denn jetzt noch schief laufen?
Eigentlich schwöre ich auf die Brekkis von Kaufland oder Aldi, doch bei so einem schönen Steak braucht es vor allem Temperatur. Also Holzkohle, statt Brekkis. Buchenholzkohle, ökologisch angebaut und FSC-zertifiziert. Und schweineteuer! Also rein damit in den Anzündkamin und Anzündwürfel drunter, alles wie hunderte Male zuvor!
Normalerweise dauert es zwanzig Minuten, bis die Kohle an ist und es losgehen kann. Der Chef stand daneben und beäugte alles haargenau, doch ausgerechnet diesmal lief alles anders! Nach zwanzig Minuten war die Kohle nicht mal zu einem Drittel durchgebrannt, dichter Qualm stieg aus dem AZK auf. Ich wurde nervös, spürbar nervös! Endlose 45 Minuten später züngelten Flammen oben aus dem AZK und die Kohle war von einer weißen Schicht bedeckt. Der AZK war aber nur noch halb voll. Ich schüttete die angefeuerte Kohle in den Grill, dabei fiel schon fast die Hälfte durch das Kohlenrost. Es blieb ein Häufchen glühender Asche und ich fühlte mich ganz, ganz klein mit Hut. Nicht mal genug Hitze um ein Minutensteak gar zu bekommen und Gefahr von Aschepanade durch leichten Wind. Ich musste die Geduld meines Besuchs weiter strapazieren. Alles in mir weigerte sich unter diesen Umständen ein Filetsteak auf den Grill zu bringen. Gott sei Dank hatte ich noch einen halben Sack Kaufland-Brekkis, also drauf damit in der Hoffnung, dass der Besuch Nachsicht hat. Zum Glück waren sie äußerst geduldig, bis es dann endlich losgehen konnte. Das Ergebnis war ein solides Stück Fleisch, dessen Garpunkt dem Wunsch meiner Gäste entsprach. Aber 1,5 Stunden um den Grill in Gange zu bekommen? Mir ist immer noch nicht ganz klar, warum das Schicksal mich an diesem Abend nicht gewinnnen lassen wollte. Was denkt ihr? Restfeuchte in der Kohle? Zu kleine Stücke und zu stark verdichtet?
Ich wollte nur das Beste und habe mich bis auf die Knochen blamiert. Der Chef und seine Frau trugen es zum Glück mit Humor und zum Schluss wurde es dann doch ein netter, aber vor allem unvergesslicher Abend.
 
Wenn ein netter unvergesslicher Abend War ist doch alles richtig gelaufen. Das mit den Kohlen kann jedem passieren War ja nicht dein Fehler.
 
Also bei dr überschrift rechnete ich mit etwas viel schlimmeren als dass nur die kohlen dreck waren. Dafür kannst du ja nix. Hast es ja noch gut gerettet und gute steaks auf die Teller gebracht.

Zu den kohlen: kann leicht sein dass sie schlecht lagerten und etwas feucht waren, aber so kleine stücke dass das meiste durch den Rost fällt sollte nicht sein.
welche kohle hattest du?
 
Na dann hattest du ja doch Erfolg. Es zeigt sich in deinem Bericht wiedermal, dass man vom normalen immer angewendeten Prozess in einer solchen Situation nicht abweichen sollte.
Bei den Brekkis oder Kohle sieht man halt nur an den Sack, die Qualität des Inhalts bleibet verborgen. Hatte auch schon mal einen solchen Sack, extrem nervig.
Aber vielleicht ist ja gar nichts schiefgelaufen sondern du entfandest es in deine Nervosität nur so.
Aber wichtigstes Fazi ist doch, dass es ein schöner unvergesslicher Abend war.
 
Wenn du dich damit gebrüstet hättest, die Kohlen selbst hergestellt zu haben, dann wäre das ne Nullnummer gewesen.
Aber so kannst du doch gar nix dafür. Und das weiß auch dein Cheffe.
Selbst bei teurer Kohle kann dir sowas passieren. Steckste halt nicht drin wenn du mal den falschen Sack erwischt.

Ging doch unterm Strich alles gut ;)
 
Naja man könnte das auch so sehen das Cheffe wenn er sehenden Auges durch die Welt geht realisiert haben könnte das du aus einer suboptimalen Lage noch was brauchbares hingebogen gekriegt hast.

Würde mir da keine grauen Haare zu machen.
 
Naja man könnte das auch so sehen das Cheffe wenn er sehenden Auges durch die Welt geht realisiert haben könnte das du aus einer suboptimalen Lage noch was brauchbares hingebogen gekriegt hast.

Hatte heute nach dem Donnerstagsmalheur wieder das erste Gespräch mit dem Chef. Genau so hat er es gesehen und er fand, dass sich das lange Warten doch schlussendlich wirklich gelohnt hat.:sonne:

Es zeigt sich in deinem Bericht wiedermal, dass man vom normalen immer angewendeten Prozess in einer solchen Situation nicht abweichen sollte.

Darin liegt sehr viel Wahres :thumb2: Das beste ist eben nicht das teuerste, sondern das bewährteste. Bin sicher, dass ich mir das fürs Leben merken werde.

Vielen Dank für den seelischen Beistand aus dem Forum, man steckt halt wirklich nicht drin. Alles wieder gut, der Frust ist weg und heute Abend geht's wieder an den Grill. Ich werde noch posten, welche Kohle es war.
 
Hab den Sack mit der Grillkohle genauer unter die Lupe genommen. Flammenco Buchenholz Grillkohle. Die Stücke sind echt sehr klein, kein Wunder, dass davon die Hälfte durchs Rost fiel. Bei der Größe der Stücke ist es IMHO ein Fehler der Produktion/Abfüllung. Das alleine kann aber nicht das Problem sein, ich nehme an, dass zusätzlich noch Feuchte hinzukam. Ich werde den Sack jetzt mal ein paar Tage an einen trockenen Ort tun und dann einen neuen Versuch starten. Wenn diese Kohle mich schon geärgert hat, dann muss sie jetzt wenigstens dafür herhalten den Erfahrungsschatz im Umgang mit schwierigen Bedingungen zu erweitern.
 
@Willen_Zum_Grillen : Ach - ich denke so etwas kann jedem mal passieren - ob man nun seinen chef oder seine neuen Schwiegereltern einlädt ... :D Für den Gastgeber ist das natürlich immer etwas "doof", aber jeder, der auch nur einen Funken Verstand vom Grillen hat sollte die Probleme nachvollziehen können. Mach Dir also keinen Kopf - und wenn Du jetzt die Karriere in der Firma durch so etwas ruiniert hast such Dir eine andere. Dann willst Du da sowiesoo nicht mehr arbeiten :mad:

Gruß aus der Nachbarschaft,
Norbert :prost:

P.S.: So ein "Standardfleisch" gibt es übrigens auch ein paar Meter weiter von Dir bei Stockhausen... IMHO auch ganz normale und gute Qualität
 
Auch wenn ich das ein ein oder andere mal kopfschüttelnde Kommentare aushalten musste - bei Gelegenheiten, die Gelinggarantie erfordern, hatte ich schonmal den gesamten Inhalt von 2 Holzkohlensäcken vorsichtig in die Schubkarre geschüttet und per Hand vorsortiert. Grosse Stücke lassen die Luft besser zirkulieren, zu grosse (mehr als Faustgross) dauern zu lange bis sie durchglühen - den "zu kleinen" Rest gebe ich in den Sack zurück - zum "auffüllen" oder nachlegen der vorhandenen Glut.

Trockene und gut durchlüftete Lagerbedingungen sind wichtig - ich lagere meine Holzkohle im Holzschuppen und nicht im Keller...
 
Wo ist denn der? An einem Charolais-Rind hätte ich auch mal Interesse...

Moin Norbert,
meine oben schon erwähnte berufliche Umorientierung hat mich kürzlich aus Rellingen bei Hamburg (Stockhausen ist vielleicht 500 m von meiner ehemaligen Heimat entfernt) in die Region um Magdeburg geführt. Hier habe ich diesen Hofladen entdeckt: http://www.rinderzucht-beyer.de/
In Halstenbek soll es aber auch etwas vergleichbares geben, konnte ich nur nie ausprobieren, zu spät entdeckt: http://www.charolais-brandener-hof.de/
Gruß in die alte Heimat
Martin
 
Gestern, also genau eine Woche nach dem Grillen mit Cheffe, habe ich die Kohle erneut getestet. Mutigerweise mit zwei schönen Rumpsteaks. Der offene Sack stand eine Woche lang auf dem warmen aber gelüfteten Dachboden und tatsächlich habe ich die ganz kleinen Stücke auch rausgeworfen. Rein in den AZK und Anzündwürfel drunter. Alles haargenau wie letzten Donnerstag nur mit anderem Ergebnis: In zwanzig Minuten war der AZK durchgebrannt. Eine starke Qualmbildung blieb diesmal aus, aber irgendwie auffällig waren die bläulichen Flammen. Darauf habe ich bisher jedoch nie so genau geachtet und kann nicht sagen, ob das was bedeutet.
Der Weber- AZK war randvoll und dennoch konnte ich bei voll geöffneten Vents nur 225 °C unterm Deckel messen. Mit Brekkis komme ich unter gleichen Bedingungen auf knapp 250 °C.
Daraus ergeben sich für mich vier Dinge:
1. Ich habe die Kohle meines Vertrauens noch nicht gefunden, werde mich mit dem Brennstoff-Thread und aufmerksamem Ausprobieren ausgiebig befassen. Die Flammenco wird es jedoch garantiert nicht werden. Bisher habe ich gern die Profagus genommen, die war jedoch beim Einkauf nicht vorrätig.
2. Ich kaufe dann größere Vorräte der Kohle, insbesondere wenn ich eine überzeugende Charge gefunden habe. Das ermöglicht die Lagerung unter mir bekannten Bedingungen.
3. Ich schütte nicht in den AZK was aus dem Sack kommt, sondern mache die Sortierung wie von vorgeschlagen. Ich denke, dass die hohe Verdichtung im AZK durch die sehr kleinen Stücke maßgeblich zum Dilemma beigetragen hat.
4. Ich werde mich durch Tiefschläge nicht wieder frustrieren lassen, dafür ist das Grillen einfach zu schön

:kugel:

Bei der Lagerung von Kaminholz ist die Verwendung eines Restfeuchtemessers nicht unüblich. Hat das schon mal jemand bei Holzkohle probiert?
 
Ist doch letzendlich alles gut gelaufen.
Bevor ich meinen Chef zu mir nach Hause einlade, lasse ich mir lieber drei gesunde Zähne ziehen :-)
Ich konnte ihn aber auch schon von meinen Künsten überzeugen da er mich fürs Catering seiner Sommerparty gebucht hatte :-)
 
Gestern war das Wetter perfekt für einen langen Grillabend. Also schnell nach Feierabend ein paar Rumpsteaks besorgt. Während ich beim ortsansässigen Fleischer so in die Auslage blicke, fallen mir wunderschöne Markknochen auf. In einem Pariser Restaurant wurde mir ein gebackener/gegrillter? Markknochen zum Steak serviert. Kräuterbutter zum Steak lehne ich strikt ab, aber das schmeckte damals echt lecker.
Kein Besuch, genügend Zeit und solides, aber nicht zu teures Material im Einkaufskorb. Perfekte Bedingungen für ein paar Experimente. Die genaue Ursache meines 12 Tage zurückliegenden Dilemmas war auch noch nicht abschließend geklärt, das letzte Mal mit der sortierten Kohle konnte das Problem nicht reproduziert werden. Also heute ein zweiter Test, ohne Sortierung sondern mit dem Rest der Kohle wie es aus dem Sack kam.
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Nur Kohlesplitter:
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Rein mit den Kohlescherben in den AZK und Anzündwürfel drunter, wie gehabt. Und dieses Mal konnte das Problem nachgestellt werden. Mit so einer Kohle verfehlt der AZK völlig seine Wirkung, der Luftzug ist einfach zu schwach. Ist das untere Drittel erstmal durchgebrannt sackt die Kohle immer weiter zusammen und verdichtet sich dadurch noch mehr. Der fehlende Sauerstoff begünstigt die Rauchbildung, dichter Qualm steigt aus dem AZK. Feuchtigkeit war also auch vor 12 Tagen nicht im Spiel, denn auch mit trocken gelagerter Kohle hat das Anzünden wieder 85 Minuten gedauert.
So eine Scherbenkohle ist einfach unbrauchbar!
Brekkis standen auch diesmal wieder als Ersatz parat, sodass es noch ein leckeres, wenn auch spätes Abendessen wurde:
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Nur an der Zubereitung des gerösteten Markknochens werde ich wohl noch arbeiten müssen. Zwei Stunden einlegen in Salzlake hat nicht gereicht, um die Blutrückstände auszuspülen und wahrscheinlich habe ich zu viel Hitze gegeben, denn das Mark war nicht cremig, sondern hart. Das muss besser werden!
 
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