• Du musst dich registrieren, bevor du Beiträge verfassen kannst. Klicke auf Jetzt registrieren!, um den Registrierungsprozess zu starten. Registrierte User surfen werbefrei, können Suchen durchführen und sehen die volle Darstellung des Forums mit vielen anderen Unterforen!!!

Lievito Madre und Hefewasser

Stefan31470

Landesgrillminister
10+ Jahre im GSV
Hallo zusammen,

Sauerteig (Anstellgut) kennt jede(r), Bäckerhefe natürlich auch. Ich möchte zwei weitere Treibmittel vorstellen, die diese ergänzen und teilweise ersetzen.

Lievito Madre (abgekürzt LM, ital. Mutterhefe) ist ein milder Weizensauerteig, der durch die kühle Führung stark hefelastig ist. Er riecht nicht nach Hefe, sondern fein fruchtig/nach Wein, und kann grundsätzlich jedem Backwerk zur Geschmacksverbesserung und Besserung des Triebes bis zu 10% der Mehlmenge zugefügt werden. Wenn man ein Backwerk aus Weizen allein mit LM und ohne Bäckerhefe zubereiten will, geht das auch, man sollte den LM aber zuvor mehrfach auffrischen, damit er schön triebstark ist. Selbst dann sind die Reifezeiten beträchtlich. Ich habe vor Jahren mit Steffi (hefe-und-mehr.de) umfänglich diskutiert und daraus einen LM entwickelt, der einerseits gelingsicher und treibstark ist, andererseits permanent im Kühlschrank geführt werden kann. Er nimmt es auch nicht übel, wenn man ihn einmal einige Wochen im Kühlschrank vergisst. Er beruht auf den Zutaten Hartweizengrieß, Olivenöl, Honig und Wasser. Seht zu, dass Ihr feinsten Hartweizengrieß bekommt. Notfalls tut es auch Hartweizenmehl. Hier die Herstellung:

Zutaten:
Ansatz
100g Hartweizengrieß, fein
70g Wasser
13g Honig (Bio)
8g Olivenöl
Auffrischen 1
50g Teig vom Ansatz
50g Hartweizengrieß, fein
3g Honig (Bio)
15-20g Wasser
Auffrischen 2
50g Teig von Auffrischen 1
50g Hartweizengrieß, fein
20g Wasser

Herstellung:
Die Zutaten miteinander zu einem glatten Teig verkneten. In eine Schüssel geben und diese mit Frischhaltefolie oder einem Deckel verschließen. 2 Tage bei 22 - 24° C stehen lassen, bis sich reichlich Gärblasen unter der Oberfläche gebildet haben. Wenn sich noch nichts oder zu wenig zeigt, kann bis zu 3, maximal 4 Tagen gewartet werden.
Zum Auffrischen 1 die Zutaten miteinander zu einem glatten Teig verkneten und in einer verschlossenen Schüssel 1-2 Tage bei 22 - 24° C gehen lassen.
Zum Auffrischen 2 die Zutaten wieder miteinander zu einem glatten Teig verkneten und in einer verschlossenen Schüssel 2- 5 Tage im Kühlschrank reifen lassen. Das ergibt eine Menge von 120 Gramm.
Von jetzt an wird der LM nur noch im Kühlschrank geführt (also aus dem Kühlschrank geholt, mit den Zutaten aufgefrischt und sofort wieder zurück in den Kühlschrank bei 4 bis 6°C), und zwar
100g LM
100g Hartweizengrieß, fein
45g Wasser
5g Olivenöl
5 g Honig (Bio)
Nur, wenn man ihn als alleiniges Treibmittel auf Touren bringen will, frischt man ihn zwei- bis dreimal hintereinander bei Raumtemperatur, maximal 24°C, auf. Dafür nimmt man dann auch etwas mehr Wasser, 55 bis 60 Gramm.

Hefewasser. Nun wird es etwas exotisch. Man nutzt hier die alkoholische Gärung und wilde Hefen aus, um ein spektakuläres Treibmittel zu erzeugen. Das von mir empfohlene Grillbrot wird mit Hefewasser hergestellt. Wenn man etwas wagen will, kann man in nahezu allen Rezepten die Bäckerhefe durch Hefewasser, ggfs. unterstützt durch etwas LM ersetzen, was den Vorteil hat, dass das Backwerk nicht hefig schmeckt und für empfindliche Mägen besser verdaulich. Man benötigt zur Herstellung eine 1,5 Liter PET Flasche.

Zutaten:
200g lauwarmes Wasser
50g Bio-Rosinen (unbehandelt, ungeschwefelt, geölte Rosinen einmal unter lauwarmm Wasser abwaschen)
15g Honig (Bio)

Herstellung:
Für den Ansatz werden Wasser, Rosinen und Honig zusammen verrührt und verschlossen in einer Pet Flasche für 2-3 Tage warm bei Raumtemperatur (besser 30°C, wenn man eine Wärmebox oder einen Backofen hat, die eine so niedrige Temperatur halten) stehen gelassen. Um die Aktivität zu beschleunigen, kann das Rosinenwasser 1-2mal am Tag LEICHT geschüttelt werden.

VORSICHT: Das öffnen der Petflasche sollte LANGSAM und unter strenger BEOBACHTUNG stattfinden (das Zeug pfeifft aus der Flasche wie geschüttelter Schampus)! Nach dem Öffnen der Flasche kann die Flüssigkeit, durch ein Sieb abgegossen, als Ansatz für den Sauerteig genommen werden. Schüttflüssigkeit und Mehl werden im Verhältnis 1:1 angesetzt. Dieser Ansatz ist so Triebstark, das die Verwendung der Teiges bereits nach 12-15 Stunden stattfinden kann!

Man kann natürlich die doppelte Menge ansetzen, wenn man das Hefewasser weiter führen will. Dann die Rosinen zurück in die Flasche geben und die entnommene Flüssigkeit durch Wasser und etwas Honig ersetzen. Sobald der Ansatz fertig ist, kann er im Kühlschrank aufbewahrt werden. Dabei alle paar Tage, am Anfang häufiger, den Druck vorsichtig entweichen lassen. Nach vielen Wochen kann es erforderlich werden, weitere Rosinen hinzuzugeben, aber das dauert.

Ich habe das Experiment mit dem Hefewasser zwischenzeitlich aufgegeben, weil es doch mit viel Aufwand verbunden ist. Bei Grillsessions und entsprechendem Brot ist eine Demonstration des Öffnens der Flasche durchaus spektakulär. Brot mit Hefewasser ist ebenso schön archaisch wie das Grillen selbst. Man liest oft von Befürchtungen, dass die Flasche (oder ein Glasgefäß, wenn man es denn verwenden will, im Kühlschrank explodieren könnte. Ich selbst habe immer nur PET Flaschen verwendet und hatte nie das Gefühl, dass eine Explosionsgefahr auch nur ansatzweise besteht. Weil es so schön spektakulär ist, hier einmal ein Zusammenschnitt, wie es aussieht, wenn man die Flasche mit dem Ansatz leicht öffnet.
Hefewasser.jpg


Hier reiche ich noch ein Foto von meinem LM nach. So kommt er aus dem Kühlschrank.

LM_kalt 1.jpg


Beste Grüße
Stefan
 
Puhh, endlich habe ich wieder Zugriff auf meine NAS (durch Zufall gefunden, dass das Netzteil für den Switch, an dem die NAS hängt, ausgefallen war). Jetzt kann ich auch mit einigen weiteren Fotos dienen.

Hier der LM Am Ende der Auffrischungsphase 2:
LM Ende Auffrischung 2.jpg


Er kommt dann in ein mehr oder weniger großes Gurkenglas in den Kühlschrank. Nach der Auffrischung hat man ja wieder einen glatten Teig, der sich binnen 36 Stunden in etwa so entwickelt:

LM kalt 2.jpg


Das noch einmal der Vollständigkeit halber.

LM_kalt 1.jpg


Das Hefewasser verhält sich nach einiger Zeit im Kühlschrank recht ruhig, nur an den Rosinen erkennt man einige Bläschen:

Hefewasser 1.jpg


Hefewasser 2.jpg


Und dann öffnet man gaaanz vorsichtig den Verschluss:

Hefewasser 3.jpg


Das Zeugs ist hoch aktiv. Dennoch: Die Buddel ist mir nie explodiert.

Beste Grüße
Stefan
 
Hallo Stefan,

ich gehe den umgekehrten Weg. Ich führe seit ein paar Jahren ein Rosinen-Hefewasser (neben ein paar saisonalen Hefewässern), und wenn ich einen LM brauche, ziehe ich mir kurzfristig einen. Das Hefewasser lebt bei mir ständig auf bzw. neben der Fensterbank. Der Aufwand dafür ist minimal, einmal in der Woche ein Löffelchen Honig und alle paar Wochen eine Handvoll Rosinen.

Hier hab ich meine Vorgangsweise beschrieben: Rosinen-Hefewasser und Lievito Madre
 
Interessant, habe ich natürlich nicht mitbekommen, entschuldige bitte. Ersetzt Du jetzt die Bäckerhefe ganz oder weitgehend durch Hefewasser ? Schade ist ja auch, dass Bernd seine Seite nicht mehr weitergeführt hat. Auf alle Fälle kann ich Dir dann das Grillbrotvon Dietmar Kappl nur wärmstens ans Herz legen.

Ich habe den LM immer im Kühlschrank, weil ich große Mengen davon verbrauche. Aus geschmacklichen Gründen und als Treibmittel-Booster (z.B. sind Laugenbrötchen mit etwas LM darin ganz ausgezeichnet). Man kann natürlich sein Anstellgut auch je nach Bedarf umzüchten, aber das ist m.E. bei dem oben geschilderten LM nicht erforderlich: Rest LM aus dem Glas nehmen, auffrischen und sofort wieder in Kühlschrank - minimale Arbeit.

Beste Grüße
Stefan
 
Hallo Stefan,
Ersetzt Du jetzt die Bäckerhefe ganz oder weitgehend durch Hefewasser ?
Ich verwende seit Jahren überhaupt keine Industriehefe mehr, deshalb backe ich alles mit Sauerteig und/oder Hefewasser. Ich habe längere Zeit verschiedene Sauerteige (Roggen, Weizen, Dinkel & LM) parallel geführt, aber da ich sonst auch ziemlich viel fermentiere wurde mir irgendwann im Vorjahr der Platz zu knapp und der Aufwand zu hoch. Seitdem beschränke ich mich auf ein RASG und ein Rosinen-Hefewasser, beides habe ich nahezu immer außerhalb des Kühlschranks. Dazu kommen gelegentlich noch saisonale Hefewässer. Außerdem züchte ich nicht mehr um, sondern setze Biga, Poolish, Levain oder sonstwas, direkt mit Hefewasser und/oder RASG an.
Auf alle Fälle kann ich Dir dann das Grillbrotvon Dietmar Kappl nur wärmstens ans Herz legen.
Ja, Danke für die Erinnerung! Davon war ich beim Kurs im letzten Sommer schon ziemlich begeistert und wollte es unbedingt bald nachbacken. Leider ist es dann wieder in Vergessenheit geraten, bis du es kürzlich gepostet hast...

Servus
Walter
 
Hallo Stefan,
danke für Deinen Beitrag.
Zum Grillbrot gibt es auch ein Rezept von Lutz Geißler.
Sein Plötzblog gibt ebenfalls viele Anregungen, kannst ja mal vorbeischauen.

Zur wilden Hefe, die Flasche muss nicht fest verschlossen werden.
Den Deckel locker auflegen reicht.
Dann bleibt Dir zwar der archaische Flaschöffnungseffekt erspart, funktioniert aber. :D

So genug Belehrung, sorry aber ich studiere gerade ein Machtwerk ;) über Sauerteige und Co.:D
 
Hallo Broilermanny,

wenn ich bei Lutz Geißler "Grillbrot" in die Suche eingebe, erhalte ich null Treffer, ich lasse mich aber gern aufklären. Tante Google verlinkt auf den Brotdoc. Dessen Grillbrot allerdings ist Lichtjahre von dem entfernt, was bei Dietmar Kappl angeboten wird - allerdings auch im Schwierigkeitsgrad. Nun ist "Grillbrot" in der Tat eine so allgemeine Bezeichnung wie "Autoreifen" - man muss schon wissen und vergleichen, was sich dahinter verbirgt. Den Blog von Lutz Geissler (und auch den von Brotdoc und vielen anderen) kenne ich seit vielen Jahren. Beide nicht schlecht. Wenn man aber ein wenig fortgeschritten ist, bietet sich für mich doch eher Dietmar Kappls homebaking.at an.

Mag sein, dass man die Flasche nicht zwingend verschließen muss. Ich gehe aber davon aus, dass die Allermeisten sie wie ich verschließen, weil sie Hefen nicht offen im Kühlschrank oder draußen stehen haben wollen - oder weil es einfach so in der Anleitung gestanden hat. Wenn ich Wein vergäre, verschließe ich den Ballon auch mit einem entsprechenden Gärröhrchen mit Gummistopfen. Ich ändere es nicht, weil es hervorragend funktioniert hat, räume aber ohne weiteres ein, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass es auch mit aufgelegtem Verschluss klappt. Immerhin herrscht in der Flasche ein leichter Überdruck, so dass nicht so leicht etwas eindringen kann.

@ DarkRoast
Ich kann mir schon vorstellen, dass es Spaß macht, nur mit Hefewasser zu arbeiten. Und wenn ich einmal die Zeit finde, möchte ich auch gerne einmal bei Dietmar mit werkeln. Ich finde nur, dass pouliche, levain und biga sehr traditionelle Herstellungsmethoden für bestimmte Backwaren in bestimmten Ländern sind. In Frankreich z.B. kennt man kein Anstellgut nach unserer Machart, die Poolish (pouliche) kommt aber von da. Aus Bequemlichkeitsgründen oder weil ich den richtigen Zeitpunkt verpasst habe weiche ich von der traditionellen Herstellungsweise auch durchaus einmal ab, bemühe mich aber grundsätzlich, bei der klassischen Herstellungsmethode zu bleiben.

Beste Grüße
Stefan
 
@Stefan31470:

Ich nehme es nicht so genau mit den traditionellen Herstellungsmethoden. Um ein Beispiel zu nennen: Ein Gutteil meiner Baguettes entstehen aus übriggebliebenem Pizzateig, meine Pizze enthalten nur mehr sehr selten dediziertes Pizzamehl (oft nicht einmal mehr 00er Mehl), aber dafür gelegentlich T65. Die Devise ist: Alles was schmeckt, ist erlaubt. Und wenn es dann noch - in unseren Augen - hübsch aussieht, dann passt alles.

Ob ich ein Hefewasser oder RASG - oder beides - zum Anstellen eines Teiges nehme, entscheide ich spontan (wenngleich nicht zufällig). Meine "Rezepte" gestalte ich selbst nach Lust und Laune, frei von allen Zwängen wie Tradition etc.

Der einzige Fixpunkt seit vielen Jahren: Ich verwende keine Industriehefe. Dafür versuche ich die bei uns in den zahlreichen Fermenten verwendeten Mikroorganismen ein Stück weit zu verstehen und dementsprechend zu verwenden.

Servus
Walter
 
Ich besitze die Geißler-Bücher auch, allerdings befinden sie sich noch in einem der nicht ausgepackten Umzugskartons - ein gewisser Rest bleibt ja immer, und wo sich nun gerade die Koch- und Backbücher befinden... :pfeif:. Deshalb: Entspricht dieses Rezept dem vom Brotdoc (die beiden kooperieren extrem eng, haben sie zumindest noch vor einiger Zeit) oder dem von Dietmar Kappl ? Wie gesagt, die Bezeichnung Grillbrot sagt für sich alleine wenig aus.

Beste Grüße
Stefan
 
Ich besitze die Geißler-Bücher auch, allerdings befinden sie sich noch in einem der nicht ausgepackten UmzugKartons
Hihi, das kenne ich.
Ich habe auch erst Vorgesten endlich mein gesuchtes Buch wider gefunden....Umzug. :D
Das Rezept verbirgt sich in diesem Werk.
Hier nennt es sich Grillkruste.
Ich werde mal in einer ruhigen Minute die Rezepte vergleichen.
image.jpg
 
Gerade nachgelesen,
das Hefewasser braucht zum Reifen keine verschlossene Flasche.
Zur Bildung der Hefen spielt atmosphärischer Druck keine Rolle.
Wozu auch? Hefen sind diesbezüglich relativ schmerzfrei, sonst könnte man damit kein Bier brauen. Das einzige was ihnen zusetzt, ist ein zu hoher Alkoholgehalt (den man im Hefewasser allerdings nicht erreicht).
 
Zurück
Oben Unten