Ich musste und sollte und wollte mich irgendwann mit der Zubereitung von Miesmuscheln beschäftigen. Was für ein Wort ! Die deutsche Miesmuschel leitet sich von der Moosmuschel her, was Sie schon mal nicht so negativ connotiert. Das Italienische Wort "Cozze" ist für deutsche Ohren noch schlimmer !
In Italia ist alles (über-)organisiert, Muscheln werden im zugenieteten Netz (Stichwort: Raschelware) angeboten, wo das Konfektionierungsdatum auf einem mit der Verschlussniete verbundenem Fähnchen vermerkt ist. Vortag konfektioniert: "Her damit", Vorgestern konfektioniert: "Geht noch" noch älter: "ich bin draussen!" Selbst die Konfektionierer geben als Höchstdatum 5 Tage an, danach in die Tonne ! Ich habe es selber "getestet", 35 gr Kochsalz pro Liter Wasser = Meerwasser, reagieren die Muscheln noch?
Weiter, die einfachste Zubereitungsart in Neapel und Umgebung ist "impepata di cozze", da ist das Wort Pepe = Pfeffer drin versteckelt. Man kippt die gesäuberten, geputzten Muscheln in einen leeren (!) heissen Kochtopf und streut Pfeffer darüber. Deckel drauf! Die untersten Muscheln gehen auf und lassen das eingeschlossene Meerwasser 'raus, was verdampft und sich auf der Lage darüber niederschlägt, worauf die aufgehen und Ihr Meerwasser 'rauslassen. Wenn der Dampf oben durchschlägt, sind die Muscheln fertig, allenfalls noch etwas Petersilie (Prezzemolo) beim Servieren darüber. das ist das einfachste italienische NICHT-Rezept für Miesmuscheln.
Die nächste Stufe ist die "Saute di Cozze", also Miesmuscheln im Sud. Fast alle Rezepte fangen an mit: schnippeln Sie Wurzeln... Ich will keine Gemüsesuppe mit Muscheleinlage, sondern Muscheln in einem würzigen Sud ! Dazu haben fast alle "Rezepte" den gleichen Fehler, 100 ml Wasser + 100 ml Weisswein am Kochtopfboden, die Muscheln werden also tatsächlich im Dampf gegart wie bei "Impepata di Cozze" (siehe oben). Karotten & Co sind keine Geschmacksgeber, also bleiben Knoblauch und Zwiebeln (Schalotten) übrig. Davon immer reichlicher, 500 gr Knoblauch geschält und in dünne Scheiben geschnitten + 500 gr Schalotten (meine Mutter hätte gesagt: das kann doch kein Mensch essen) in einen Kochtopf, Olivenöl dazu und unter Umrühren erhitzen, weiter, das Wasser aus Knoblauch und Zwiebel verdampft, noch weiter, immer umrühren, weiter, bis es nicht mehr geht, sprich es droht anzubrennen oder es setzt an, trotz ständigem Umrühren und Olivenöl. Dann Ablöschen mit Vermouth extra dry / Noilly Prat ist gut, MARTINI ist preiswerter, dicht gefolgt von GANCIA, CINZANO schmeckt mir nach zu viel Chemie. Gerade alles bedecken, aufkochen und absieben (sonst hat man am Ende keinen Sud. sondern eine Gemüsesuppe aus Zwiebeln und Knoblauch), den Siebinhalt wieder mit Vermouth aufkochen, bis die Flasche leer ist. Dann folgt noch eine Flasche Weisswein mit dem selben Prozedere. Dem so gewonnenen Sud noch einen Brühwürfel oder Salzwürfel fürs Pastawasser zugeben, etwas Pfeffer aus der Mühle und der Sud ist fertig.
Zweiter Topf mit Siebeinsatz, unten etwas Wasser zum Kochen bringen, Muscheln oben rein kippen, die gehen dann auf und verlieren Ihr Salzwasser. Die so getöteten, geöffneten Muscheln in den Sud kippen und noch 4 Minuten garen lassen, Fertig, mit und ohne Petersilie servieren.
Bei mir bekommt jeder einen Schöpflöffel Sud mit, der "Rest" wird in die Vermouth-Flaschen gefüllt, dazu ein ordentlicher Schuss 96 % Alkohol (gibt es in Italia für 16,- € pro Liter) und kommt in den Kühlschrank für das nächste Mal Muscheln. Den Schöpflöffel voll Sud haben immer noch alle unter höchstem Lob so aufgeschlappt (sogar ein Berufskoch, das war der "Ritterschlag") !
Vielleicht habe ich die Proportionen nicht ganz richtig wiedergegeben, lieber noch etwas mehr Knoblauch + Schalotten. Bei jedem Mal Muscheln muss ich neuen Sud kochen, um den Schwund zu ergänzen. Ein Schuss Pastis oder Pernot kann die Sache noch abrunden.
Noch ein weiterer Tipp, ich habe mir gusseiserne Kleinpfannen zugelegt, werden eigentlich fürs Grillen verkauft. Wenn man die in einem Tellerwärmer aufheizt, halten die die Wärme wesentlich länger als Porzellanteller. Sieht auch gut aus, als wenn ein Foodphotograph das arrangiert hätte und die letzte Muschel kommt noch aus einem warmen Teller. Ich wage nicht in den Kleinpfannen was Anderes zu servieren, wofür man ein Messer braucht, dann wird die brünierte Oberfläche wohlmöglich zerkratzt und die fangen an zu rosten, Sud löffeln ist ungefährlich.