Zudem war der Gastgeber bemüht, seine Gäste auch beim Essen mit Überraschungen zu verwöhnen. So wurde z.B. Spanferkelbraten, der mit lebenden Aalen gestopft war, oder eine Pastete, mit lebenden kleinen Singvögeln gefüllt, angeboten. Wenn die Aale beim Anschneiden des Bratens aus dessen Inneren quollen und sich über den Tisch ergossen oder die kleinen Vögel beim Öffnen des Teiggefängnisses im Saal herumflatterten, hatte der Gastgeber bestimmt für Aufregung gesorgt. Im 14. und 15. Jh. soll es sogar üblich gewesen sein, Zwerge in Pasteten zu stecken. Einige adlige Herren ließen dabei gleich ein ganzes Orchester mit 28 Musikanten in solchen Gerichten unterbringen.
Aber es gab auch Speisezubereitungen, über die wir nicht mehr schmunzeln können. Bei Hans Wiswe lernen wir das makabre Rezept "Lebender Gänsebraten" kennen. Es lautet folgendermaßen:
"Eine lebendige Ente oder Gans oder ein anderes zählebiges Tier wird außer an Kopf und Hals gerupft. Dann wird es rings mit einem Feuer umgeben. Dies darf nicht zu nahe sein, damit das Tier nicht vom Rauch erstickt, aber auch nicht zu entfernt, damit es nicht entweicht. Innerhalb des Feuers werden Gefäße aufgestellt, die mit Salz und Honig vermischtes Wasser enthalten. Auch sind dort Stäbchen mit gesottenen Apfelstücken anzubringen. Das Tier wird mit Wasser bedeckt und gesalzen zur Hebung des Wohlgeschmacks und damit es leichter gar wird. Das Feuer ist vorsichtig anzufachen. Es verschließt dem Tier, das zu fliehen versucht, den Ausweg. Durch Trinken und durch Kühlung des Herzens wird das Opfer am Leben gehalten. Die Zusätze zu dem Trinkwasser wirken abführend und führen so die Entleerung der Eingeweide herbei. Sobald es siedet, kochen die Eingeweide gar. Mit einem Schwamm müssen ständig Kopf und Herz gekühlt werden. Sobald das Tier zu fallen und zu zappeln beginnt, nimmt man es vom Feuer und bringt es auf die Tafel. Es schreit immerzu, wenn die einzelnen Teile herausgelöst werden, >so daß es scheint, daß es fast früher verzehrt werde, als es sterbe.<" (in: Hans Wiswe, ebenda, S. 138)
Hoffen wir, daß dieses Rezept nur von dem sadistisch, psychisch-schwerkranken Rezepterfinder ausprobiert wurde.
Im Mittelalter wurde nicht nur auf die Raffinesse bei der Zubereitung der Speisen geachtet, sondern auch auf die Menge. Je reicher man war oder erscheinen wollte, um so mehr konnte und mußte aufgetischt werden. Bei der Einweihung der Stadtkirche von Weißenfels im Jahre 1303 gab es zu Ehren des Gastes, Bischof Benno von Zeitz, folgendes relativ einfache Gastmahl aus drei Gängen:
"1. Eiersuppe mit Safran, Pfefferkörnern und Honig, Hirse, Gemüse, Schaffleisch mit Zwiebeln, gebratenes Huhn mit Zwetschgen;
2. Stockfisch mit Öl und Rosinen, Bleie in Öl gebacken, gesottener Aal mit Pfeffer, gerösteter Bückling mit Senf;
3. sauer gesottene Speisefische, ein gebacken Parmen (wahrscheinlich eine Barbe), kleine Vögel in Schmalz gebacken mit Rettich, Schweinskeule mit Gurken." (in: Günther Schildlausky, ebenda, S. 48)
Und bei solchen festlichen Anlässen aß man viel, nach dem Motto: "dem Freund zum Gefallen, dem Feind zum Ärger"! So waren bei größeren Festlichkeiten drei Gänge mit 50 verschiedenen Speisen keine Ausnahme.
Schließlich sollte noch zum Abschluß der Wochenbedarf der königlichen Küche in Paris im 14. Jh. erwähnt werden: 496 Schafe, 70 Stück Großvieh, 70 Kälber, 63 Schweine, 17 Pökelschweine, 1 521 Ziegen, 14 900 Hühner, 12 390 Tauben und 15 111 Junggänse.