Hallo zusammen!
Ich habe mir im August 2019 ein Wicked Edge (WE) Schleifsystem gekauft und möchte mir heute endlich die Zeit nehmen ein wenig darüber zu schreiben.
Bisher gibt es zu dem System kaum deutsche Erfahrungsberichte, was sicherlich auch mit dem hohen Preis und den zahlreichen preiswerteren Alternativen zu tun hat. Umso eher wird man fündig wenn man sich im englischsprachigen Teil des Internets umschaut, dann findet man neben der offiziellen Homepage (Link) inklusive Forum und einem Wiki (Link) auch zahlreiche Youtube Videos in denen das System und der Umgang damit ausführlich erklärt wird und auch Stärken und Schwächen aufgezeigt werden. Hier mal ein offizielles Werbefilmchen (Link) damit jeder weiss worüber ich hier schreibe.
Einige werden sich fragen weshalb ich mich trotz des hohen Preises ausgerechnet für dieses System entschieden habe. Die Antwort ist einfach die, das ich durch die Begeisterung der Besitzer neugierig geworden bin und wissen wollte ob das System wirklich so simpel und gut funktioniert wie es in den Videos zu sehen ist. Zudem habe ich mir einige Systeme angeschaut und verglichen, lässt man den Preis einmal ausser acht so kam nur das WE-System für mich in Frage.
Ich habe nur zwei Bezugsquellen im deutschsprachigen Raum gefunden und mich aufgrund der positiven Erfahrungsberichte für Knives&Tools entschieden. Schaut man sich dort in der Kategorie Wicked Edge um so wird man vor die Wahl zwischen verschiedenen Ausführungen mit mehr oder weniger Zubehör gestellt. Das es so wenige Distributoren in Deutschland gibt ist einer der wenigen Negativpunkte aber daran kann man dem System nicht die Schuld geben.
Ich selber bin ein absoluter Anfänger was das Schleifen von Messern angeht. Im Herbst 2018 habe ich einen Messerschleifkurs der Firma Herder in Solingen besucht wo einem der Umgang mit Wetzstab, Abziehleder und Wasserschleifsteinen gezeigt wurde. Ich empfand es als mühsam bis unmöglich, einen gleichbleibenden Schleifwinkel einzuhalten - und das auch noch für beide Seiten der Schneide. Und ich wollte das Schleifen nicht erst monatelang trainieren bevor ich meinen Messern die gewünschte Schärfe verpassen kann weshalb ich den Entschluss fasse den bequemen Weg zu gehen und ein Schleifsystem zu kaufen. Natürlich habe ich auf der anderen Seite keine Erfahrung was Abweichungen um ein paar Grad wirklich ausmachen aber besser wird das Ergebnis dadurch sicher nicht.
Bevor ich zu den Details komme möchte ich noch kurz darauf eingehen was dieses System für mich von anderen abhebt.
a) Im Gegensatz zu anderen Systemen kann ich beim Wicked Edge gleichzeitig beide Seiten bearbeiten. Ich muss das Messer nicht neu einspannen wenn ich die Seite wechseln möchte sondern ich habe für jede Seite jeweils einen eigenen Schleifstein.
b) Ist der Winkel einmal eingestellt so kann ich als Anwender diesbezüglich nichts mehr falsch machen. Es besteht gar keine Möglichkeit mit dem falschen Winkel zu schleifen.
c) Das System hat kaum bewegliche Teile und ist ziemlich robust. Es gibt also kein Spiel welches Einfluss auf das Ergebnis hat.
Die Sache mit den zweifachen Steinen macht den Spaß vermutlich auch etwas teurer weil man die Steine immer im Doppelpack kauft. Laut Aussage des Herstellers soll ein Stein ca. 400-500 Messer schleifen können. Die groben Steine halten dabei nicht ganz so lange wie die Feinen.
Hier kommen wir auch schon zu einem Nachteil speziell der diamantbeschichteten Steine: der Hersteller war ziemlich großzügig was die Beschichtung angeht und somit müssen diese Steine erst einmal eingeschliffen werden bevor man damit einen perfekten Schliff erhält. Diese Einschleifphase hat bei mir etwa 7-8 Messer gedauert, glücklicherweise standen mir genug billige Übungsmesser zur Verfügung. Daran, wie der Stein über die Klinge gleitet, merkt man auch als Anfänger sofort wenn er seine volle Einsatzfähigkeit erreicht hat. Hat man keine Übungsmesser zur Hand kann man laut Forum auch ein Stück Stahl einspannen und bearbeiten. Einen Vorteil gibt's aber auch noch: ein Abrichten der Steine ist auch nach langer Nutzungsdauer nicht notwendig da diese plan bleiben.
Noch ein Wort zu den Schleifsteinen: schaut man sich das Angebot an so sieht man dass es neben den Diamantschleifsteinen auch Diamantschleiffolien zum aufkleben, Keramik, Lederstreichriemen mit Diamantpaste, Halter für selbstklebendes Schleifpapier, Balsaabziehstreifen oder Aluminiumoxid-Polierbänder gibt. In den USA werden inzwischen sogar Wasserschleifsteine für das System angeboten. Das Wiki bietet hier einen ganz guten Überblick in welchem die Original-Schleifmittel in der Reihenfolge der Anwendung von grob nach fein aufgelistet sind (Link). Ich habe mich bisher auf die Nutzung der Diamantschleifsteine sowie der Diamantschleiffolie beschränkt, für mich ist das ausreichend. Die Experten hier im Forum werden sicherlich noch etwas zu den Vor- und Nachteilen der einzelnen Schleifutensilien für das System sagen können - ich habe davon leider (noch) keine wirkliche Ahnung.
Zurück zu der Auswahl des Systems. Ich habe mich für ein Paket auf Basis des WE130-Modells entschieden. Hier ist die Einstellung des Schleifwinkels zwar etwas aufwändiger als bei dem neuesten Modell aber dafür hat man hier die Möglichkeit, Messer beidseitig mit asymmetrischem Schleifwinkel zu schleifen.
Kommen wir zur Anwendung. Die Grobeinstellung des Schleifwinkels erfolgt über eine Schiene mit Vertiefungen die in etwa ein Grad ausmachen. Für die Feineinstellung gibt es an jedem Arm eine Made welche mit einer Rändelschraube gesichert ist, somit ist die Einstellung in 0.1 Grad Schritten problemlos möglich. Die Winkelanzeige auf der Schiene ist übrigens ziemlich überflüssig da der Schleifwinkel je nach Höhe der Klinge abweicht. Wenn man genau arbeiten möchte schafft man sich am besten einen digitalen Winkelanzeiger (Bevel Box o.ä.) an. Dieser haftet mit seiner magnetischen Seite an den Scheifsteinen und man kann sehr bequem den gewünschten Winkel einstellen.
Das Herzstück des Systems ist die Halteklammer für das Messer. Diese unterlag in der Vergangenheit mehreren Änderungen und ist meiner Meinung nach sehr ausgereift. Mit einem Hebel bewegt man beide Seiten der Klammer gleichzeitig was dafür garantiert, dass das Messer mittig eingespannt wird. Bei früheren Modellen lies sich nur eine Seite der Klammer bewegen. An der Rückseite lässt sich noch die Stärke der Klammer einstellen falls man extrem dünne Klingen schleifen möchte, für meine Messer musste ich jedoch bisher nie über die Hälfte hinausgehen.
Zum Thema Zubehör möchte ich es jedem selber überlassen, einmal über das Angebot drüberzuschauen. Für mich haben sich bisher drei Dinge als unverzichtbar herausgestellt:
Da ist zum einen der Low-Angle-Adapter welcher quasi eine Verlängerung der Halteklammer darstellt und es ermöglicht, Messer mit einer sehr schmalen Klinge zu bearbeiten oder, wie es der Name schon sagt, sehr kleine Schleifwinkel zu realisieren.
Die anderen beiden Teile sind Schablonen welche es einem ermöglichen, ein Messer bei einem erneuten Schleifvorgang genau an der gleichen Stelle einzuspannen wie zuvor. Leider funktionieren die Schablonen nicht zusammen mit dem Low-Angle-Adapter, hier notiert man sich am besten ein paar Bezugspunkte wie z.B. die Entfernung der Messerspitze zur vorderen, oberen Ecke der Halteklammer.
Damit kommen wir auch schon zum nächsten Punkt auf den ich eingehen möchte: ist dass System wirklich so einfach im Einsatz wie asngepriesen?
Beginnen wir mit dem Einspannen des Messers. Hier gibt es eine kleine Hilfe welche zwei verschiedene Höhen zum einspannen vorgibt. Ich denke, es ist jedem klar das man für breite Klingen die untere Position wählt, für schmalere Klingen die obere.
Zudem ist es möglich, das Messer auf dieser vorgegeben Höhe nach vorne oder nach hinten zu schieben. Dies ist hilfreich um den sogenannten "Sweet Spot" zu ermitteln. Der "Sweet Spot" eines Messers ist quasi die Position bei welcher der Schleifstein in einer gleichmässigen Höhe über die Schneide gleitet. Das klingt komlizierter als es ist, im beiliegenden Handbuch ist ausführlich mit Bildern dokumentiert wie man diese Position ganz einfach ermittelt. Alles was man benötigt ist ein wasserfester Stift (Edding o.ä.) um die Klinge vorab zu markieren. Das Ganze dauert vielleicht 5 Minuten und wenn man sich danach anhand der oben genannten Schablonen die genaue Position notiert (ich empfehle ein Foto) so ist dies eine einmalige Tätigkeit. Möchte man der Klinge einen komplett neuen Schliff verpassen so kann man den "Sweet Spot" natürlich auch vernachlässigen, im Prinzip kann man sich so jedoch einiges an Schleifarbeit sparen und hält den Materialabtrag so gering wie möglich.
Danach wird der gewünschte Schleifwinkel eingestellt, hzier erfolgt die Kontrolle erneut mit einem Edding o.ä., und dann kann man auch schon mit dem Schleifen loslegen. Einfach den Stein mit der gewünschten Körnung auswählen und mit einer Seite beginnen bis sich ein Grat gebildet hat. Dabei ist es dem Grat egal, wie man Ihn erzeugt: ob durch eine schrubbende oder eine kreisende Bewegung, alternativ kann man auch den Schleifstein von vorne oben nach hinten unten ziehen ("edge leading") oder umgekehrt ("edge trailing"). Genauso wie man es auch mit einem normalen Schleifstein macht sind der Gewohnheit des Anwenders hier keine Grenzen gesetzt.
Man geht nun also, wie ich es auch beim Schleifen mit Wassersteinen gelernt habe, nach folgendem Plan vor:
- erste Seite: Grat erzeugen
- zweite Seite: Grat erzeugen
- beide Seiten: abwechselnd schleifen bis kein Grat mehr vorhanden ist
- zum nächst feineren Stein wechseln
Diese Tätigkeit könnte man auch durch eine Maschine durchführen lassen, die Bewegung ist sehr einfach und man muss nur darauf achten dass man an der Messerspitze nicht über das Ziel hinausschiesst und abrutscht.
Man kann ein wenig Spannung in das Thema bringen wenn man den Fortschritt mit einem Mikroskop überprüft. Ich benutze zu diesem Zweck ein simples USB-Mikroskop.
Nun muss man sich nicht mehr auf seine Gefühl oder ein Stück Watte verlassen um zu prüfen ob bereits ein Grat vorhanden ist. Man kann Ihn stattdessen sehen da er das Licht reflektiert (sorry für die schlechte Aufnahme, ich musste mich erst an das freihändige Fotografieren mit dem Mikroskop gewöhnen):
Daneben eine Klinge bei welcher der Grat bereits entfernt wurde:
Die unschöne Seite an der Sache mit dem Mikroskop: man sieht ggf. Ausbrüche in der Klinge die man lieber nicht sehen würde.
Und siehe da - sogar ein Anfänger bekommt mit dem System eine glänzende Schneide auf olle Messer von der Schwiegermutter.
Um Missverständnissen vorzubeugen: eine glänzende Schneide ist kein Garant für Schärfe, auch mit diesem System muss man darauf achten dass kein Grat mehr vorhanden ist.
Ist das Wicked Edge denn auch so idiotensicher wie es den Eindruck vermittelt? Ich sage mal: klares jein.
So muss man beim Handling schon ein wenig Sorgfalt walten lassen wenn man keine unschönen Kratzer in die Klinge machen möchte. Rutscht man nämlich mit dem Schleifstein zu tief so ist es schon passiert. Ein paar findige Anwender basteln sich Stopper welche sie auf den Armen unter dem Schleifstein anbringen um dieses Problem zu vermeiden. Weshalb so etwas nicht direkt vom Hersteller angeboten wird, ist mir ein Rätsel.
Auch sollte man darauf achten, dass man die beiden Feststellschrauben auf jeder Seite (Grob- und Fein) festzieht bevor man loslegt.
Ein großes Defizit zeigt das System beim Schleifen von langen, dünnen Klingen. Diese neigen dazu sich zu biegen, je nachdem wieviel Druck man auf den Schleifstein bringt. Bei meinem Modell hat der Hersteller ein Loch in der Basisplatte eingebracht in welches man einen Stab mit einer Halterung einbringen könnte. Leider gibt es solch eine Halterung für die Messerspitze jedoch nicht zu kaufen. Bei früheren Modellen wurde sowas wohl noch mitgeliefert. Entweder bastelt man sich hier selber etwas oder man ist halt gezwungen während dem Schleifvorgang mit den Fingern von der gegenüberliegenden Seite dagegen zu halten. Solange man die Grate erzeugt ist das noch in Ordnung aber wenn es dann daran geht, beide Seiten abwechselnd zu schleifen erschwert es die Arbeit.
FAZIT:
Das System erspart einem nicht die Arbeit des Schleifens - aber es lässt weniger Fehler zu und macht das Ergebnis reproduzierbar. Ein gewisses Grundwissen und Verständsnis über verschiedene Stahlsorten, Messertypen, Klingengeometrie und Schnittechniken ist in jedem Fall hilfreich. Gerade letzteres macht aus einem scharfen Messer ein gutes Messer und da kann einem kein Schleifsystem der Welt helfen. Zudem sollte man sich vor der Anwendung Fragen stellen wie: "Welchen Schneidwinkel sollte ich bei einem Ausbeinmesser erzeugen um keine Ausbrüche zu riskieren wenn es auf einen Knochen trifft?". Auch ein gewisses Fingerspitzengefühl ist beim Schleifvorgang von Nutzen wenn man sich nicht auf ein Mikroskop verlassen möchte.
Gebe ich an dieser Stelle eine Kaufempfehlung? Lieber nicht. Dazu ist das System einfach zu teuer und jeder muss mit sich selber klären ob es Ihm das wert ist. Gegenüber der Verwendung von Wassersteinen spart man sich ein wenig Zeit. Leute, die wie ich Schwierigkeiten haben einen konstanten Winkel zu halten, bekommen mit diesem System bessere Ergebnisse. Ich persönlich bereue den Kauf nicht.
Positiv:
Negativ:
Ich hoffe ich konnte Euch einen kleinen Einblick in das Wicked Edge Schleifsystem geben. Falls ich etwas vergessen habe was Euch interessiert so könnt Ihr nmatürlich gerne Fragen stellen.
Viele Grüße,
Thomas
Ich habe mir im August 2019 ein Wicked Edge (WE) Schleifsystem gekauft und möchte mir heute endlich die Zeit nehmen ein wenig darüber zu schreiben.
Bisher gibt es zu dem System kaum deutsche Erfahrungsberichte, was sicherlich auch mit dem hohen Preis und den zahlreichen preiswerteren Alternativen zu tun hat. Umso eher wird man fündig wenn man sich im englischsprachigen Teil des Internets umschaut, dann findet man neben der offiziellen Homepage (Link) inklusive Forum und einem Wiki (Link) auch zahlreiche Youtube Videos in denen das System und der Umgang damit ausführlich erklärt wird und auch Stärken und Schwächen aufgezeigt werden. Hier mal ein offizielles Werbefilmchen (Link) damit jeder weiss worüber ich hier schreibe.
Einige werden sich fragen weshalb ich mich trotz des hohen Preises ausgerechnet für dieses System entschieden habe. Die Antwort ist einfach die, das ich durch die Begeisterung der Besitzer neugierig geworden bin und wissen wollte ob das System wirklich so simpel und gut funktioniert wie es in den Videos zu sehen ist. Zudem habe ich mir einige Systeme angeschaut und verglichen, lässt man den Preis einmal ausser acht so kam nur das WE-System für mich in Frage.
Ich habe nur zwei Bezugsquellen im deutschsprachigen Raum gefunden und mich aufgrund der positiven Erfahrungsberichte für Knives&Tools entschieden. Schaut man sich dort in der Kategorie Wicked Edge um so wird man vor die Wahl zwischen verschiedenen Ausführungen mit mehr oder weniger Zubehör gestellt. Das es so wenige Distributoren in Deutschland gibt ist einer der wenigen Negativpunkte aber daran kann man dem System nicht die Schuld geben.
Ich selber bin ein absoluter Anfänger was das Schleifen von Messern angeht. Im Herbst 2018 habe ich einen Messerschleifkurs der Firma Herder in Solingen besucht wo einem der Umgang mit Wetzstab, Abziehleder und Wasserschleifsteinen gezeigt wurde. Ich empfand es als mühsam bis unmöglich, einen gleichbleibenden Schleifwinkel einzuhalten - und das auch noch für beide Seiten der Schneide. Und ich wollte das Schleifen nicht erst monatelang trainieren bevor ich meinen Messern die gewünschte Schärfe verpassen kann weshalb ich den Entschluss fasse den bequemen Weg zu gehen und ein Schleifsystem zu kaufen. Natürlich habe ich auf der anderen Seite keine Erfahrung was Abweichungen um ein paar Grad wirklich ausmachen aber besser wird das Ergebnis dadurch sicher nicht.
Bevor ich zu den Details komme möchte ich noch kurz darauf eingehen was dieses System für mich von anderen abhebt.
a) Im Gegensatz zu anderen Systemen kann ich beim Wicked Edge gleichzeitig beide Seiten bearbeiten. Ich muss das Messer nicht neu einspannen wenn ich die Seite wechseln möchte sondern ich habe für jede Seite jeweils einen eigenen Schleifstein.
b) Ist der Winkel einmal eingestellt so kann ich als Anwender diesbezüglich nichts mehr falsch machen. Es besteht gar keine Möglichkeit mit dem falschen Winkel zu schleifen.
c) Das System hat kaum bewegliche Teile und ist ziemlich robust. Es gibt also kein Spiel welches Einfluss auf das Ergebnis hat.
Die Sache mit den zweifachen Steinen macht den Spaß vermutlich auch etwas teurer weil man die Steine immer im Doppelpack kauft. Laut Aussage des Herstellers soll ein Stein ca. 400-500 Messer schleifen können. Die groben Steine halten dabei nicht ganz so lange wie die Feinen.
Hier kommen wir auch schon zu einem Nachteil speziell der diamantbeschichteten Steine: der Hersteller war ziemlich großzügig was die Beschichtung angeht und somit müssen diese Steine erst einmal eingeschliffen werden bevor man damit einen perfekten Schliff erhält. Diese Einschleifphase hat bei mir etwa 7-8 Messer gedauert, glücklicherweise standen mir genug billige Übungsmesser zur Verfügung. Daran, wie der Stein über die Klinge gleitet, merkt man auch als Anfänger sofort wenn er seine volle Einsatzfähigkeit erreicht hat. Hat man keine Übungsmesser zur Hand kann man laut Forum auch ein Stück Stahl einspannen und bearbeiten. Einen Vorteil gibt's aber auch noch: ein Abrichten der Steine ist auch nach langer Nutzungsdauer nicht notwendig da diese plan bleiben.
Noch ein Wort zu den Schleifsteinen: schaut man sich das Angebot an so sieht man dass es neben den Diamantschleifsteinen auch Diamantschleiffolien zum aufkleben, Keramik, Lederstreichriemen mit Diamantpaste, Halter für selbstklebendes Schleifpapier, Balsaabziehstreifen oder Aluminiumoxid-Polierbänder gibt. In den USA werden inzwischen sogar Wasserschleifsteine für das System angeboten. Das Wiki bietet hier einen ganz guten Überblick in welchem die Original-Schleifmittel in der Reihenfolge der Anwendung von grob nach fein aufgelistet sind (Link). Ich habe mich bisher auf die Nutzung der Diamantschleifsteine sowie der Diamantschleiffolie beschränkt, für mich ist das ausreichend. Die Experten hier im Forum werden sicherlich noch etwas zu den Vor- und Nachteilen der einzelnen Schleifutensilien für das System sagen können - ich habe davon leider (noch) keine wirkliche Ahnung.
Zurück zu der Auswahl des Systems. Ich habe mich für ein Paket auf Basis des WE130-Modells entschieden. Hier ist die Einstellung des Schleifwinkels zwar etwas aufwändiger als bei dem neuesten Modell aber dafür hat man hier die Möglichkeit, Messer beidseitig mit asymmetrischem Schleifwinkel zu schleifen.
Kommen wir zur Anwendung. Die Grobeinstellung des Schleifwinkels erfolgt über eine Schiene mit Vertiefungen die in etwa ein Grad ausmachen. Für die Feineinstellung gibt es an jedem Arm eine Made welche mit einer Rändelschraube gesichert ist, somit ist die Einstellung in 0.1 Grad Schritten problemlos möglich. Die Winkelanzeige auf der Schiene ist übrigens ziemlich überflüssig da der Schleifwinkel je nach Höhe der Klinge abweicht. Wenn man genau arbeiten möchte schafft man sich am besten einen digitalen Winkelanzeiger (Bevel Box o.ä.) an. Dieser haftet mit seiner magnetischen Seite an den Scheifsteinen und man kann sehr bequem den gewünschten Winkel einstellen.
Das Herzstück des Systems ist die Halteklammer für das Messer. Diese unterlag in der Vergangenheit mehreren Änderungen und ist meiner Meinung nach sehr ausgereift. Mit einem Hebel bewegt man beide Seiten der Klammer gleichzeitig was dafür garantiert, dass das Messer mittig eingespannt wird. Bei früheren Modellen lies sich nur eine Seite der Klammer bewegen. An der Rückseite lässt sich noch die Stärke der Klammer einstellen falls man extrem dünne Klingen schleifen möchte, für meine Messer musste ich jedoch bisher nie über die Hälfte hinausgehen.
Zum Thema Zubehör möchte ich es jedem selber überlassen, einmal über das Angebot drüberzuschauen. Für mich haben sich bisher drei Dinge als unverzichtbar herausgestellt:
Da ist zum einen der Low-Angle-Adapter welcher quasi eine Verlängerung der Halteklammer darstellt und es ermöglicht, Messer mit einer sehr schmalen Klinge zu bearbeiten oder, wie es der Name schon sagt, sehr kleine Schleifwinkel zu realisieren.
Die anderen beiden Teile sind Schablonen welche es einem ermöglichen, ein Messer bei einem erneuten Schleifvorgang genau an der gleichen Stelle einzuspannen wie zuvor. Leider funktionieren die Schablonen nicht zusammen mit dem Low-Angle-Adapter, hier notiert man sich am besten ein paar Bezugspunkte wie z.B. die Entfernung der Messerspitze zur vorderen, oberen Ecke der Halteklammer.
Damit kommen wir auch schon zum nächsten Punkt auf den ich eingehen möchte: ist dass System wirklich so einfach im Einsatz wie asngepriesen?
Beginnen wir mit dem Einspannen des Messers. Hier gibt es eine kleine Hilfe welche zwei verschiedene Höhen zum einspannen vorgibt. Ich denke, es ist jedem klar das man für breite Klingen die untere Position wählt, für schmalere Klingen die obere.
Zudem ist es möglich, das Messer auf dieser vorgegeben Höhe nach vorne oder nach hinten zu schieben. Dies ist hilfreich um den sogenannten "Sweet Spot" zu ermitteln. Der "Sweet Spot" eines Messers ist quasi die Position bei welcher der Schleifstein in einer gleichmässigen Höhe über die Schneide gleitet. Das klingt komlizierter als es ist, im beiliegenden Handbuch ist ausführlich mit Bildern dokumentiert wie man diese Position ganz einfach ermittelt. Alles was man benötigt ist ein wasserfester Stift (Edding o.ä.) um die Klinge vorab zu markieren. Das Ganze dauert vielleicht 5 Minuten und wenn man sich danach anhand der oben genannten Schablonen die genaue Position notiert (ich empfehle ein Foto) so ist dies eine einmalige Tätigkeit. Möchte man der Klinge einen komplett neuen Schliff verpassen so kann man den "Sweet Spot" natürlich auch vernachlässigen, im Prinzip kann man sich so jedoch einiges an Schleifarbeit sparen und hält den Materialabtrag so gering wie möglich.
Danach wird der gewünschte Schleifwinkel eingestellt, hzier erfolgt die Kontrolle erneut mit einem Edding o.ä., und dann kann man auch schon mit dem Schleifen loslegen. Einfach den Stein mit der gewünschten Körnung auswählen und mit einer Seite beginnen bis sich ein Grat gebildet hat. Dabei ist es dem Grat egal, wie man Ihn erzeugt: ob durch eine schrubbende oder eine kreisende Bewegung, alternativ kann man auch den Schleifstein von vorne oben nach hinten unten ziehen ("edge leading") oder umgekehrt ("edge trailing"). Genauso wie man es auch mit einem normalen Schleifstein macht sind der Gewohnheit des Anwenders hier keine Grenzen gesetzt.
Man geht nun also, wie ich es auch beim Schleifen mit Wassersteinen gelernt habe, nach folgendem Plan vor:
- erste Seite: Grat erzeugen
- zweite Seite: Grat erzeugen
- beide Seiten: abwechselnd schleifen bis kein Grat mehr vorhanden ist
- zum nächst feineren Stein wechseln
Diese Tätigkeit könnte man auch durch eine Maschine durchführen lassen, die Bewegung ist sehr einfach und man muss nur darauf achten dass man an der Messerspitze nicht über das Ziel hinausschiesst und abrutscht.
Man kann ein wenig Spannung in das Thema bringen wenn man den Fortschritt mit einem Mikroskop überprüft. Ich benutze zu diesem Zweck ein simples USB-Mikroskop.
Nun muss man sich nicht mehr auf seine Gefühl oder ein Stück Watte verlassen um zu prüfen ob bereits ein Grat vorhanden ist. Man kann Ihn stattdessen sehen da er das Licht reflektiert (sorry für die schlechte Aufnahme, ich musste mich erst an das freihändige Fotografieren mit dem Mikroskop gewöhnen):
Daneben eine Klinge bei welcher der Grat bereits entfernt wurde:
Die unschöne Seite an der Sache mit dem Mikroskop: man sieht ggf. Ausbrüche in der Klinge die man lieber nicht sehen würde.
Und siehe da - sogar ein Anfänger bekommt mit dem System eine glänzende Schneide auf olle Messer von der Schwiegermutter.
Um Missverständnissen vorzubeugen: eine glänzende Schneide ist kein Garant für Schärfe, auch mit diesem System muss man darauf achten dass kein Grat mehr vorhanden ist.
Ist das Wicked Edge denn auch so idiotensicher wie es den Eindruck vermittelt? Ich sage mal: klares jein.
So muss man beim Handling schon ein wenig Sorgfalt walten lassen wenn man keine unschönen Kratzer in die Klinge machen möchte. Rutscht man nämlich mit dem Schleifstein zu tief so ist es schon passiert. Ein paar findige Anwender basteln sich Stopper welche sie auf den Armen unter dem Schleifstein anbringen um dieses Problem zu vermeiden. Weshalb so etwas nicht direkt vom Hersteller angeboten wird, ist mir ein Rätsel.
Auch sollte man darauf achten, dass man die beiden Feststellschrauben auf jeder Seite (Grob- und Fein) festzieht bevor man loslegt.
Ein großes Defizit zeigt das System beim Schleifen von langen, dünnen Klingen. Diese neigen dazu sich zu biegen, je nachdem wieviel Druck man auf den Schleifstein bringt. Bei meinem Modell hat der Hersteller ein Loch in der Basisplatte eingebracht in welches man einen Stab mit einer Halterung einbringen könnte. Leider gibt es solch eine Halterung für die Messerspitze jedoch nicht zu kaufen. Bei früheren Modellen wurde sowas wohl noch mitgeliefert. Entweder bastelt man sich hier selber etwas oder man ist halt gezwungen während dem Schleifvorgang mit den Fingern von der gegenüberliegenden Seite dagegen zu halten. Solange man die Grate erzeugt ist das noch in Ordnung aber wenn es dann daran geht, beide Seiten abwechselnd zu schleifen erschwert es die Arbeit.
FAZIT:
Das System erspart einem nicht die Arbeit des Schleifens - aber es lässt weniger Fehler zu und macht das Ergebnis reproduzierbar. Ein gewisses Grundwissen und Verständsnis über verschiedene Stahlsorten, Messertypen, Klingengeometrie und Schnittechniken ist in jedem Fall hilfreich. Gerade letzteres macht aus einem scharfen Messer ein gutes Messer und da kann einem kein Schleifsystem der Welt helfen. Zudem sollte man sich vor der Anwendung Fragen stellen wie: "Welchen Schneidwinkel sollte ich bei einem Ausbeinmesser erzeugen um keine Ausbrüche zu riskieren wenn es auf einen Knochen trifft?". Auch ein gewisses Fingerspitzengefühl ist beim Schleifvorgang von Nutzen wenn man sich nicht auf ein Mikroskop verlassen möchte.
Gebe ich an dieser Stelle eine Kaufempfehlung? Lieber nicht. Dazu ist das System einfach zu teuer und jeder muss mit sich selber klären ob es Ihm das wert ist. Gegenüber der Verwendung von Wassersteinen spart man sich ein wenig Zeit. Leute, die wie ich Schwierigkeiten haben einen konstanten Winkel zu halten, bekommen mit diesem System bessere Ergebnisse. Ich persönlich bereue den Kauf nicht.
Positiv:
- Anwenderfehler kaum möglich
- grosse Auswahl an Schleifmaterial
- Auch ohne Vorkenntnisse gutes, reproduzierbares Schleifergebnis
- stabil, gute Qualität der Einzelteile
Negativ:
- hoher Preis
- keine Stabilisierung langer, dünner Klingen
- vermeidbare Kratzer an der Klinge möglich
Ich hoffe ich konnte Euch einen kleinen Einblick in das Wicked Edge Schleifsystem geben. Falls ich etwas vergessen habe was Euch interessiert so könnt Ihr nmatürlich gerne Fragen stellen.
Viele Grüße,
Thomas