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Fermentations-101

DarkRoast

Simplicissimus On_Hiatus
10+ Jahre im GSV
Hier sollen grundlegende Verfahren der Fermentation kurz vorgestellt werden, ich bitte um rege Beteiligung... :-)

FERMENTATIONS 101

Die Fermentation pflanzlicher und tierischer Substrate ist ein kompliziertes Netzwerk von mikrobiellen, enzymatischen, biochemischen, chemischen und physikalischen Prozessen, deren Einzelreaktionen zum Teil noch nicht ausreichend erforscht sind und die sich darüber hinaus wechselseitig beeinflussen.

Nicht zuletzt deshalb erheben die hier geposteten Informationen keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit!
(Vorschläge für Verbesserungen oder Korrekturen bitte im Thread posten!)

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Milchsäuregärung (Milchsäure-Fermentation bzw. Lacto-Fermentation); klassisch

Die klassische Milchsäuregärung wird häufig bei Gemüse, Früchten, Pilzen, etc. eingesetzt. Dabei wird das zu fermentierende Lebensmittel entweder ganz oder zerkleinert einfach mit Salz ("trocken") bzw. in einer Salzlake ("Brine") angesetzt, entsprechend der Tradition oder dem eigenen Geschmack gewürzt und in einem geeigneten Behälter zur Fermentation angesetzt. Die Salzmenge beträgt dabei üblicherweise 2%*). Die Fermentationsdauer variiert zwischen wenigen Tagen und mehreren Jahren.

Der Name "Milchsäuregärung" kommt daher, daß diese Art der Fermentation hauptsächlich von Milchsäurebakterien (Lactobacilli, kurz "LAB") und in einem gewissen Ausmaß von Hefen (z.B. Saccharomycetes) getragen wird. Die primären Abbauprodukte der LAB sind Milchsäure und Essigsäure, die der Hefen Kohlendioxid (CO2, häufig auch als "Kohlensäure" bezeichnet).

Um einen problemlosen Fermentationsverlauf zu gewährleisten, bei dem sich die "erwünschten" Mikroorganismen wohlfühlen und konkurrierenden Mikroorganismen möglichst wenig Spielraum gegeben wird, ist es wichtig, ein paar Dinge zu beachten:
  • Sauberkeit: Die für die erwünschte Fermentation benötigten Mikroorganismen befinden sich bereits auf unserem Fermentationsgut (Gemüse, Obst, etc.). Diese müssen wir einerseits erhalten (d.h. das Fermentationsgut darf nicht desinfiziert werden), andererseits müssen wir darauf achten, möglichst wenig fremde Keime einzubringen.
  • Luftausschluß: Um einerseits eine unerwünschte Oxidation unseres Fermentationsgutes zu vermeiden und andererseits "aeroben Keimen" (das sind jene, welche sich ausschließlich oder bevorzugt an der Luft vermehren) wenig Lebensraum zu geben, ist es nötig, das Fermentationsgut möglichst in der Flüssigkeit zu halten. Dies geschieht z.B. bei der Fermentation in Gläsern, Töpfen, o.ä. dadurch, daß das Fermentationsgut mittels geeigneter Gewichte unter der Oberfläche der Flüssigkeit gehalten wird. Das von den beteiligten Hefen erzeugte CO2 verdrängt außerdem die Luft über der Flüssigkeit und hilft ebenfalls mit, anderen Mikroorganismen (wie z.B. Schimmel oder Kahmhefen die sich gerne an Phasenübergängen ansiedeln) keine attraktiven Lebensräume zu geben.
  • Salz ohne Zusatzstoffe: Das Salz sollte möglichst frei von Zusatzstoffen sein, ansonsten könnten diese unsere LAB bzw. Hefen im Wachstum beeinträchtigen oder gar abtöten.
  • Fermentationsgut ohne Zusatzstoffe: Es gilt dasselbe wie oben. Rückstände von Spritzmitteln o.ä. können LAB und Hefen abtöten, d.h. das verwendete Fermentationsgut sollte möglichst biologisch angebaut sein.

Die Beispiele für Milchsäuregärung sind zahllos, von Sauerkraut, über Kimchi, alle Arten von eingelegtem Obst, Gemüse, etc., etc..

*) Zwei Beispiele zur Berechnung der Salzmenge:
  1. Sauerkraut (trocken): Auf 1kg Sauerkraut kommen 20g Salz.
  2. Gurken (Brine): Auf 500g Gurken mit 0,5l (=500g) Wasser kommen 20g Salz, d.h. ich muß die gesamte Salzmenge im Wasser auflösen, die Salzkonzentration in der Gurke beträgt zunächst 0% und am Ende 2%, in der Brine zunächst 4% und am Ende ebenfalls 2%.
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Alkoholische Gärung bzw. alkoholische Fermentation (klassisch)

Durch alkoholische Fermentation entstandene Getränke sind wahrscheinlich fast so alt wie die menschliche Zivilisation. Die hauptsächlich dafür verantwortlichen Mikroorganismen sind Hefen (einzellige Pilze), der Hefepilz Saccharomyces Cerevisiae ist vermutlich der prominenteste Vertreter dieser Art.

Der grundlegende Prozess dabei ist die Zerlegung eines einfachen Zuckers (Glucose) in Alkohol (Ethanol) und Kohlendioxid (CO2) durch den Hefepilz. Dieser Prozess heißt Glykolyse und verläuft in mehreren Stufen. Der Abbau endet aber nicht beim Alkohol sondern läuft unter Umständen weiter, dann entstehen Acetaldehyd und später Essigsäure(!).

Diese Fermentation läuft nur unter Luftabschluß ab, hat der Hefepilz ausreichend Sauerstoff zur Verfügung, wird die Glucose zu CO2 und Wasser abgebaut. Man spricht dann nicht von Fermentation sondern von Atmung (Respiration) und es entsteht kein Alkohol.

Der für die alkoholische Fermentation benötigte Zucker wird oft durch enzymatischen Abbau von zugesetzten Stärkemolekülen (z.B. gemalztes Getreide) gewonnen, das dabei entstehende Getränk wird dann Bier genannt. Wenn die zu vergärenden Zucker im Substrat selbst (z.B. Weintrauben) vorliegen, spricht man von Wein.

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tbc.

Zuletzt editiert: 2018-10-27
 
Zur Milchsäure-Fermentation kann man vielleicht ergänzend bemerken, dass diese entweder "trocken" (ohne zusätzliche Flüssigkeit, aka "Brine", zB bei Sauerkraut) oder eben mit Brine möglich ist.
Die Salzmenge muss auf das Gesamtgewicht gerechnet werden.

Weiters ist es oft günstig, das Fermentationsgut vor weiterer Luftzufuhr zu schützen ("under the brine is fine"), um das Auftreten unerwünschten Schimmels oder von Kahmhefen zu vermeiden.
Dazu eignen sich natürlich Sauerkrauttöpfe, aber auch Bügelgläser (Fido-Gläser) und Ähnliches...

tbc
 
Alkoholische Fermentation zugefügt...

Jetzt brauch ich ein "Gute-Nacht-fermentiertes Getränk, welches durch enzymatischen Abbau aus..."


Ach sch... d'rauf, Bier her oder I fall um! :D
 
Ein wenig off topic, aber es scheint deutliche archäologische Hinweise darauf zu geben, daß das Sesshaft-Werden der Menschheit vor etlichen Jahrtausenden dadurch ausgelöst wurde, daß die Leute damals ihre Bier-Grundstoffe nicht mehr während des Nomadenlebens sammeln wollten, sondern gezielt anbauen wollten. Nicht das Brot, das Bier war vermutlich der Anfang unserer Landwirtschaft und damit unserer Kultur!
 
Ein wenig off topic, aber es scheint deutliche archäologische Hinweise darauf zu geben, daß das Sesshaft-Werden der Menschheit vor etlichen Jahrtausenden dadurch ausgelöst wurde, daß die Leute damals ihre Bier-Grundstoffe nicht mehr während des Nomadenlebens sammeln wollten, sondern gezielt anbauen wollten. Nicht das Brot, das Bier war vermutlich der Anfang unserer Landwirtschaft und damit unserer Kultur!
Ja, kenn ich ... Reichholf z.B. vertritt diese Hypothese recht hartnäckig.

Fakt scheint, daß die Menschen bereits Alkohol kannten, als sie seßhaft wurden. Aber ob Alkohol jemals der Grund dafür war, wird sich vermutlich nicht abschließend klären lassen...

Edit: Vgl. Beitrag #9
 
Fakt scheint, daß die Menschen bereits Alkohol kannten, als sie seßhaft wurden.
Ich denke ich muß das revidieren. Ich hab heute Nacht nämlich noch ein bißchen geschmökert... *)

Es scheint so zu sein, daß die früheste Phase der Seßhaftwerdung der Menschen inkl. erster Domestizierung von Pflanzen (und Tieren?) auf etwa 12.500BCE datiert werden kann. Dieses "Experiment" scheiterte aber aus mehreren Gründen nach etwa ein- bis zweitausend Jahren, und es begann eine Ära in der diese Völker wieder ganz oder teilweise als Nomaden lebten. Die ersten konkreten Hinweise auf fermentierte Getränke gibt es aber erst von ca. 9000BCE, der nächsten Phase der Seßhaftwerdung...

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*)
S. Mithen: After the Ice - A Global Human History, 20,000 - 5000 BC
P. Bogucki & P. Crabtree (eds.): Ancient Europe 8000 BC-1000 A.D.: An Encyclopedia of The Barbarian World
https://de.wikipedia.org/wiki/Natufien
https://de.wikipedia.org/wiki/Neolithische_Revolution
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Bieres
https://www.eurekalert.org/pub_releases/2004-12/uop-9ho120204.php
 
Die ersten konkreten Hinweise auf fermentierte Getränke gibt es aber erst von ca. 9000BCE, der nächsten Phase der Seßhaftwerdung...

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*)
S. Mithen: After the Ice - A Global Human History, 20,000 - 5000 BC
P. Bogucki & P. Crabtree (eds.): Ancient Europe 8000 BC-1000 A.D.: An Encyclopedia of The Barbarian World
https://de.wikipedia.org/wiki/Natufien
https://de.wikipedia.org/wiki/Neolithische_Revolution
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Bieres
https://www.eurekalert.org/pub_releases/2004-12/uop-9ho120204.php


Najo, aus dem von dir verlinkten Text zum Natufien:

Überreste fermentierten Getreides aus dem 13. Jahrhundert BP wurden auch in der Rakefet-Höhle gefunden und stellen den ältesten bisher bekannten Nachweis für die Herstellung von Bier dar.

13.000 Jahre Biertradition ist schon nicht schlecht.

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352409X18303468?via=ihub
 
Ja, den Abstract vom Sciencedirect hab ich gelesen. Daraus geht aber nicht wirklich hervor, wieso es sich dabei notwendigerweise um Überreste vom Bierbrauen handeln soll.

Hast du zufällig den ganzen Artikel?
 
Ich habe hier mal eine kurze Frage: wozu dient die Fermentation genau?

Zum besseren Geschmack?

Zur Haltbarmachung?

Ich habe jetzt ein Rezept für einen fermentierten Cole Slaw gesehen. Ich finde das KFC-Rezept eigentlich gut.
Möhren und Kohl sind auch schnell gehobelt, sowohl in kleiner als auch in großer Menge. Und beim fermentierten
Rezept muss ich auch die Sauce noch separat herstellen. Warum also fermentieren?

Bei Sauerkraut verstehe ich das - im Herbst angesetzt und bis ins Frühjahr zu essen. Ok.

Aber warum bei so vielen anderen Dingen bzw. Gemüsen?

:prost:
 
Haltbarkeit, Geschmack, Bekömmlichkeit, positive gesundheitliche Effekte (für mich in dieser Reihenfolge).

Edit: Ja, die von @DarkRoast erwähnten Rauschzustände habe ich (wegen akuter Unterhopfung) völlig vergessen. Aber an welche Stelle würde ich sie setzen??

:inquisition:
 
Ich habe hier mal eine kurze Frage: wozu dient die Fermentation genau?
Das ist eine sehr gute Frage! Ich werde sie später in die FAQ aufnehmen und dort etwas ausführlicher beantworten...

Kurze Anwort:
  • Konservierung (Sauerkraut, Kimchi, eingelegtes Gemüse, etc.)
  • Triebmittel (Brot, Gebäck)
  • Geschmacksverbesserung bzw. .veränderung (w.o. plus Brot, Käse, Wein, Bier, etc.)
  • Bekömmlichkeit (fast alle bisher genannten)
  • Gesundheit (Stichwort: probiotische Keime)
  • Rauschzustände (Bier, Wein, etc.)

Edith meint grad: @Allium war schneller... :D

:prost:
 
Ja, den Abstract vom Sciencedirect hab ich gelesen. Daraus geht aber nicht wirklich hervor, wieso es sich dabei notwendigerweise um Überreste vom Bierbrauen handeln soll.

Hast du zufällig den ganzen Artikel?
Achja, ich habe den Artikel mittlerweile...

Anhand der Überreste wurde festgestellt, daß anscheinend wirklich eine Art Bier gebraut wurde, bei dem gemälztes Getreide gemaischt und anschließend fermentiert wurde. Das heißt es lassen sich für alle notwendigen Phasen des Bierbrauens*) in der Raqefet Höhle Nachweise finden. Das Bier wurde aber anscheinend für rituelle Berauschung (im Zuge von Begräbniszeremonien) verwendet, wahrscheinlich aber nicht für den täglichen Gebrauch. Hinweise auf Brot gibt es dort keine, wohl aber in einer anderen Ausgrabungsstätte (ähnlichen Datums)**).

Mal schauen ob ich den Eintrag oben noch ändern kann...

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*) Natürlich ohne Hopfenkochen, Hopfen wird erst seit ein paar hundert Jahren im Bier verwendet.
**) Shubayqa 1 im OstJordanland (14,600-11,600 cal BP; Arranz-Otaegui et al., 2018)
 
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