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GT / KT Fragen

wolle71

Metzger
5+ Jahre im GSV
Moin,

ist vlt auf den ersten Blick eine etwas seltsame Betrachtung aber ich möchte gerne mal die Meinung von erfahrenen Fleischzubereitern hören:

Vorab noch vorausgesetzt, dass das Fleisch nicht verbrannt wird!

Was passiert mit dem Fleisch, wenn die GT zu hoch angesetzt ist?
Was passiert, wenn man die KT zu hoch werden lässt?
Ist es tatsächlich so, dass jedes Fleisch automatisch immer weicher wird, je höher die KT steigt bis es zerfällt oder kehrt sich das irgendwann um?

Es hat doch was mit Eiweisgerinnung zu tun usw nur wie sind die Zusammenhänge?

Wer hat Antworten unabhängig von der Fleischsorte (falls man das überhaupt so pauschal sagen kann)?

Mir ist schon oft passiert, dass Fleisch bei empfohlener GT und KT noch zäh war. Hätte es dann einen Sinn, die KT weiter zu erhöhen oder wird da einfach nichts mehr weicher? Liegt sowas dann einfach am Fleisch?

Ich hoffe, dass in etwa verständlich ist, worauf ich hinaus will.

Es muss ja einen Sinn haben, warum man manche Dinge bei 250Grad und andere bei 100Grad zubereitet.
Nur nachkochen ist nicht mein Fall, ich will verstehen! ;)
 
Man kann die Zubereitungsmethoden - rein exemplarisch - in 2 Lager unterteilen:

Im einen Fall soll ein Gargradient im Produkt erzielt werden. Sprich: Außen sehr gar/geröstet, innen deutlich "roher". Dann nimmt man eine hohe Temperatur und eine kurze Zeit.

Will man ein gleichmäßige Garung, innen wie außen, dann eine geringe Temperatur und eine variable Zeit, je nach dem Verhältnis von Oberfläche zu Volumen, bzw. der angestrebten KT.

Soll diese Garung wiederum eine gleichmäßig verteilte, geringe KT zum Ziel haben, ist die GT ebenfalls gering zu halten.

Bei einer gleichmäßigen Garung mit hoher Ziel-KT kann (nicht muss!) die GT höher sein.

Eine wichtige Rolle spielt nicht nur die absolut erreichte GT, sondern, wie lange eine bestimmte KT während dem Garprozess überschritten wurde, da sich die KT schneller erhöhen kann, als strukturelle Degradierungsprozesse im Produkt ablaufen können. Beispiel Tafelspitz in kochender Brühe: Nach einer Stunde in kochendem Wasser ist das ganze Produkt nachzu gleichmäßig warm (irgendwo knapp unter 100 °C). Zart ist es aber erst viel später, und zwar dann, wenn z.B. Kollagen in Gelatine umgewandelt wurde (Aufquellung).

Wichtig ist also neben GT und KT vor allem die Zeit.

Ochsenbacke Sous Vide ist auch ein schönes Beispiel: Moderate KT (<70 °C), die über mehr als 30 Stunden gehalten wird. Hier wird der Einfluss der Zeit auf den Garprozess deutlich. "Garprozess" ist auch das eigentlich falsche Wort: Gar im Sinne von durchgebraten ist das Fleisch schon nach viel geringerer Zeit. Die zeitl. Ausdehnung der Wärmeeinwirkung dient der Texturveränderung jenseits des Garens, die faseriges Bindegewebe, das auch im mikroskopischen Bereich die einzelnen Muskelfaserbündel umgibt, thermisch degradiert, sprich zersetzt, sodass es nicht mehr seine stützended Funktion erfüllen kann, und das Fleisch "zerfällt", also zart wird.

Das soll jetzt nur ein kurzer Abriss einzelner Prozesse sein. Um es zu erklären, bräuchte ich einen Abend, ein Flipchart und ein paar Gläser Wasser für die Stimme.

Wenn Du Dich näher mit diesen interessanten Thema auseinandersetzen magst, dann empfehle ich Dir:

http://amazon.de/Die-Molek%C3%BCl-K%C3%BCche-Physik-Chemie-Geschmacks/dp/3777621048

(günstig, sehr verständliche Sprache, netter Autor, den ich schon ein paar mal am MPI in Mainz getroffen hab.)

oder
http://amazon.de/Modernist-Cuisine-Die-Revolution-Kochkunst/dp/3836532565
Das vermutlich umfassendste Werk, in dem aber viel mehr steht, als Deine Fragestellung verlangt.
Beide Bücher sind verständliche populärwissenschaftliche Werke. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Fachbüchern, die noch tiefer gehen, aber auch mehr Grundkenntnisse verlangen.
Im Netz findet sich zu verwandten Themen relativ viel, man muss nur an ausgefallenen Orten suchen: Beispielsweise in (frei zugänglichen) Werken zur Forensik/Rechtsmedizin, in denen Fleischreifung beschrieben wird - so makaber es auch klingen mag.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Dankeschön, dass werde ich mir wohl mal reinziehen müssen. Klingt ja sehr interessant.

Es trifft also allgemein die Aussage zu, wenn Fleisch noch zu fest/Zäh ist, einfach mehr Zeit in der Wärme geben? Sprich wieder auf den Grill. Immer Vorausgesetzt, es verkohlt nicht äußerlich.
 
Über die Zeit bekommt man alles (!) zart. Sogar die zähesten Brocken.
Es trifft also allgemein die Aussage zu, wenn Fleisch noch zu fest/Zäh ist, einfach mehr Zeit in der Wärme geben? Sprich wieder auf den Grill. Immer Vorausgesetzt, es verkohlt nicht äußerlich.

Wenn Du es in Alufolie eingewickelt auf dem Grill belässt, dann ja. So schaffst Du um das Fleisch herum nämlich eine dampfgesättigte Atmosphäre, was die weitere Verdunstung stark einschränkt. Lässt Du es einfach so auf dem Grill, läufst Du gefahr, dass sehr viel Feuchtigkeit verdunsten wird, und sich eine Kruste ausbildet, die dicker werden kann, als gewünscht (Beispielsweise 2 cm trockener Rand bei Braten aus Umluftbackofen, da die Umluft die Verdunstung beschleunigt -> vgl. Wind-Chill-Effekt auf der Haut).Zart ist es dann zwar, aber vermutlich in subjektiv zu großen Teilen auch trocken.
Das macht sich natürlich häufig nur bei Extremwerten bemerktbar. Pulled Pork bleib ja auch nach 24 Stunden noch saftig, aber dünnere Stücke können schnell austrocknen. Das ist eben immer ein multifaktorielles Geschehen.

Du kannst Dich auch in die Sous-Vide-Technik einlesen, oder über PP schlau machen:
Understanding And Beating The Barbecue Stall, Bane Of All Barbecuers, And How It Helps Create "Bark"
 
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