Es gibt noch eine Handvoll Leute in Deutschland, die einen ordentlichen Dünnschliff hinbekommen - und die haben aber alle Hände voll zu tun. Es ist eine ziemliche Schande, dass diese Fähigkeit, die noch vor fünfzig Jahren aberhunderte Leute in Solingen in Perfektion beherrscht haben, heute nur noch bei leidenschaftlichen Messermachern und zwei oder drei Herstellern gefunden werden kann. Selbst Herder, die den Dünnschliff erklärtermaßen erhalten wollen, haben Luftnot. Seit Fehrekampf tot ist, kommen die drei halbausgebildeten Gesellen kaum mit der Produktion nach, sodass etliche Formen ständig nicht verfügbar sind. Die Preise haben angezogen, weil der Ausschuss bei großen Messern so saftig gestiegen ist; das feine Pließten (Blauziehen) wurden bei einigen Messern offensichtlich sogar eingestellt, weil Aufwand und Ausschuss sonst nicht mehr bezahlbar gewesen wären. Das Finish der 1922er ist merklich schlechter als früher.
Ich finde es frustrierend, wenn die fünfhundertste Limited Edition mit venezianischem Ochsenpenisknochengriff auf den Markt geworfen wird und die Kohle lieber in PR gesteckt wird anstatt in die Ausbildung und Beschäftigung einiger vernünftiger Schleifer. Und wenn die Leute dann auch noch lieber die Messer mit den hübschen Griffen und dem großen Tammtamm kaufen statt den guten Klingen, das komplettiert dieses Geschäftsgebahren. Manchmal habe ich den Eindruck, viele Menschen können nicht nur leicht geblendet werden, weil ihnen der noch vor zwei Generationen übliche Haushaltsverstand fehlt, sie scheinen das auch unbedingt zu wollen. Zu Zeiten des Internets wären die Informationen zu vielen Fragen ein paar Klicks und ein paar Minuten Recherche entfernt - und nie haben die Leute indifferenter jeden Scheiß gekauft als heute. Zu viel Geld und zu wenig Konsequenzen. Wenn das Messer in zwei Jahren hin ist - pah, dann gibts halt ein neues! Der Chinese macht es doch. Vorbei die Zeit, wo Kaufentscheidungen Lebensentscheidungen waren.
Hallo,
Mr.Pink hat mir da aus der Seele gesprochen!
Ich bin neu hier, lese aber schon länger mit. Das mit der Windmühle ist leider etwas komplizierter:
Die haben da aktuell 10 Schleifer unter Vertrag. Herr Fehrekampf hat noch 10-15 junge Leute ausgebildet, bevor er gehen mußte. Er war zuletzt 3 Jahre schwer krank, ist aber immer noch regelmässig in die Windmühle gekommen um nach dem Rechten zu sehen. Bewundernswert. Und es zeigt, dass er keine Ruhe fand bei dem Gedanken an seine Nachfolger...
Einige arbeiten inzwischen in anderen Betrieben. Wie das so ist, hat man nicht immer allzu leidenschaftliche Lehrlinge. Die denken an alles mögliche, Mädchen und Autos und Urlaub, das mit der Tradition kommt, wenn überhaupt, erst im reifen Alter. Dabei hat die Windmühle bereits 1998 (!), also vor 15 Jahren, angefangen wieder junge Schleifer und Reider sowie Ausmacher auszubilden. Trotzdem fehlen ein, zwei Generationen von Schleifern, um den Meister zu ersetzen.
Als der Fernsehfilm "Der Blaupließter aus Solingen" gedreht wurde, Sommer/Herbst 2003, da waren bereits zwei Schleifergesellen fertig ausgebildet. Einem davon blickt der Meister am Ende des Films beim Arbeiten zu und läßt sich die Klinge (Yatagan) zeigen. Er lobt die Arbeit und sagt sinngemäß: "So is Qualität. So wollen wir die blauen Messer haben!"
So wie ich es sehe, sind es diese beiden Erst-Gesellen, welche die mit Abstand beste Qualität abliefern. Das kann man z.B. an einigen neuen Lignum3 Messern sehen. Aber das muß noch viel besser werden.
Es werden aber auch haarsträubende Pfuscher in der Schleiferei beschäftigt. Muß ebenfalls mal erwähnt werden. Die verschleifen praktisch jedes Messer. Keine gute Auswahl bei den Lehrlingsanwärtern.
Die neueste Problemzone sind tordierte Klingen (kann auch mit der Härterei zusammen hängen). Dabei verdreht sich die Klinge wie ein Flugzeugpropeller. Das ist aber nur eine Seite des Problems. Hinzu kommt eine unruhige Klingenoberfläche voller Buckel und Wellen. Diese Messer fangen an zu ruckeln beim schneiden und stecken schließleich fest. Sie fallen bei jedem Gurkentest durch! Das war früher mal die Stärke der Windmühle...
Was waren das noch für paradiesische Zeiten, als wir uns "nur" über schlecht passende Griffe aufgeregt haben! Inzwischen hat die Windmühle ein existentielles Problem, denn das Herzstück eines Messers, die Klingenqualität, stimmt über weite Strecken nicht mehr. Besserung ist nicht in Sicht. Einige der Nachwuchsschleifer erkenne ich inzwischen am Schleifbild, das ist wie eine Handschrift, und bis auf einen entwickeln die sich sogar wieder rückwärts. Der Altmeister steht nicht mehr hinter ihnen und fordert Qualität ein.
Die haben quasi nichts bei Fehrekampf gelernt und seitdem die Hälfte wieder vergessen.
So, jetzt brauche ich auch ein Abklingbecken.
Viele Grüße,
Peter