Worum geht es?
Wie ich schon hier gepostet habe - ich habe mir eine neue Heißluftpistole gekauft
Aber niemand hat erraten, wofür
Naja - es war ja auch nur die Hälfte der Informationen, denn ich habe mir noch ein paar Sachen gekauft:
Einen "Chocolate Melanger"
mit dem man zu Hause "Bean-to-bar" Schokolade herstellen kann.
Da aber ein paar Steinrollen noch keine Schokolade machen, gab es noch ein wenig "Stoff" dazu:
Wenn schon "artisan bean-to-bar chocolate", dann natürlich nur mit den besten Zutaten. Also einen Vorrat an "Valrhona" Kakaobohnen, Bio Kakaobutter und richtig professionelle Gussformen angeschafft.
Während mein neuer "Melanger" im Reinigungsmodus (ca. 1 Stunde mit einer Mischung aus Kakaobutter und Zucker laufen lassen, die danach - leider - entsorgt wird) ist...
... haben wir etwas Zeit für "Theorie":
Was ist Schokolade?
Was Schokolade zu Schokolade macht ist - das ist kein großes Geheimnis - die Kakaobohne. Kakaobohnen sind die Frucht des Baumes Theobroma cacao.
Die Schokolade ist dann im Grunde eine Emulsion aus Kakaobutter (woraus Kakaobohnen zu ca 50 % bestehen), Zucker und den organischen Komponenten der Kakaobohne.
Diese Kakaobohnen müssen aus der "Frucht" entnommen und dann fermentiert und geröstet werden (roh sind sie nicht zu verarbeiten). Das ist ein relativ aufwändiger Prozess, da die dünne "Haut" der Bohnen erst nach dem Rösten abgeht und es dann aber umso schwieriger wird, die Bohnen von den Bruchstücken der "Haut" zu trennen. Daher hab ich diesen Schritt nicht selbst durchgeführt sondern habe fertig geröstete und gehackte Bohnen ("Nibs") gekauft.
Grundsätzlich (!) könnte jeder selbst Schokolade herstellen, indem man Kakaobohnen mit einem Mörser zerkleinert und dann mit Zucker und etwas purer Kakobutter mischt. Das Problem ist aber, dass die Schokolade dann die innere Konsistenz von "Gries" hat - also wie eine pulverige Flüssigkeit.
Der Grund dafür liegt in unserem grandiosen Sensorikorgan "Zunge" - denn diese ist in der Lage, Partikel bis zu einer Größe von 10 Micron (das sind 0,01 Millimeter) erspüren. Daher ist es notwendig, die Kakaobohen zu mahlen bis die einzelnen Partikel kleiner als 10 Micron sind. Der Vorteil: Während diesem Mahl-Prozess wird auch die Kakaobutter aus den Bohnen extrahiert, was die Schokolade erst sämig-cremig macht.
Und genau hier kommt der "Chocolate Melanger" ins Spiel - über viele Stunden hinweig werden die Komponenten der Schokolade auf unter 10 Micron gemahlen.
Aber ein Schritt nach dem anderen - inzwischen ist das "Reinigungsprogramm" absolviert und es geht weiter:
Wir machen 1 KG Schokoladenmasse im Verhältnis 60/30/10 (Kakaobohne/Zucker/Kakaobutter pur) - damit ergibt sich ein Anteil der Kakaobutter von ca. 40 % im Endprodukt.
Also, wie funktioniert das?
Bevor wir zum Mise en Place kommen werden die Schale und die Mahlsteine auf ca. 50 Grad C aufgeheizt - über den ganzen Prozess wollen wir, dass die Schokolade zwischen 45 und 50 Grad C hat - durch die Temperatur wird die Kakaobutter besser extrahiert.
Nun zum "Mise en Place":
Als Zucker sollte man einen besonders fein gemahlenen nehmen, um der Maschine Arbeit abzunehmen (Achtung: KEINEN Staubzucker!)
Ich nehme diesen hier:
Um die Temperatur möglichst gleich zu halten, heize ich die Kakao Nibs ebenfalls auf ca. 45-50 Grad auf.
Gleichzeitig wird die Kakaobutter geschmolzen (zB in der Mikrowelle) und dann wird erstmal die ganze flüssige Kakaobutter in die laufende Maschine gegeben um alles zu "schmieren" und die Basis für die Masse zu bilden.
Dann werden die Kakao-Nibs in kleineren "Portionen" (nicht alles auf einmal!) in den laufenden Melanger geschüttet.
Währenddessen kann passieren, dass die Temperatur abfällt (weil die Maschine noch nicht lange läuft und die Nibs vielleicht noch nicht ganz warm waren)
Hier kommt nun die Heizpistole ins Spiel (ihr könnt zur Not aber auch einen "Föhn" nehmen). Es wird Hitze zugeführt:
bis die Temperatur wieder passt
Dann immer wieder in kleineren Portionen die Kakao Nibs hineingeben (man hört es zuerst etwas "rumpeln" und nach einigen Minuten wird es wieder ruhiger und dann kommt der nächste Löffel hinein bis dann alle Nibs eingearbeitet sind:
ab hier heißt es "warten" - wenn ihr jetzt kostet habt ihr eine Masse mit spürbaren Partikeln und absolut keiner Süße.
Damit kann man sich die 6 Stunden Wartezeit bis zum nächsten Schritt also leider nicht "versüßen"
Nach 6 Stunden ist die Masse noch lange nicht fertig, aber zumindest soweit homogen gemahlen, um den Zucker einzuarbeiten:
Doch zuvor wird der Zucker wieder auf ca. 50 Grad aufgeheizt, damit die Temperatur im Melanger nicht zu tief fällt:
Dann auch hier wieder in kleineren Portionen einarbeiten:
und bei bedarf wieder Hitze zugeben:
Nun könnt ihr kosten - das lustige in dieser Phase ist, dass es noch keine homogene Masse ist, sondern eben nur eine grobe Mischung. Mein Mann hat die Kostprobe als "Reise" beschrieben - zuerst schmeckt man den bitteren Kakao, nach einigen Sekunden dann den Zucker.
Ob es das Wert war, den ganzen Aufwand - das schmeckt ja nicht besonders gut!
Nun heißt es also wieder warten - denn von Beginn weg gerechnet braucht der Melanger 24 Stunden, bis die Masse auf unter 10 Micron gemahlen ist.
Leider ist der Melanger nicht unbedingt der leiseste Gefährte, daher wurde er für die "Nachtschicht" kurzerhand in den Wohnkeller verfrachtet:
Der zweite Tag
Nach einer ruhigen Nacht (gottseidank hat unser Keller keine Nachbarn) geht es munter weiter - mal schauen, wie weit das Gerät ist:
Eine kleine Kostprobe...
OH MEIN GOTT!!
Was habe ich "gestern" gefragt? Ist es das Wert?
Meine Güte - WOW!
Ok...
Zurück an die Arbeit - noch bin ich ja noch nicht fertig
Nach 24 Stunden wird nun zuerst eine kleine Probe abgefüllt
Und für den Rest beginnt nun das "Conchieren"
Was ist conchieren?
Im Jahr 1879 erfand Rudolf Lindt die "Conche" mit der Rohschokolade in mehrerlei Hinsicht verfeinert wird. Zum einen wird die Feuchtigkeit der Schokoladenmasse reduziert (denn Wasser und Feuchtigkeit sind Gift für Schokolade - mehr dazu später). Gleichzeitig wird auch der Säuregehalt der Schokolademasse verringert und die Schokolade wird harmonischer.
Und wie conchiert man nun zu Hause? Habe ich etwa noch eine Conche gekauft?
Eine "Conche" ist im Grunde ein simples Instrument - es ist eine Walze, die durch die Schokolade gleitet und sie "umwälzt"
Kommt euch das bekannt vor?
Ja - der Melanger ist gleichzeitig eine Conche.
Man muss nur den "Druck" von den Walzen nehmen und schon fungiert das Gerät als Conche:
Das heißt, die Schokolademasse wird nun (mit offenem Deckel) weitere 24 h umgewälzt und conchiert
Bevor wir nun weitere 24 Stunden warten, müssen wir uns jedoch rechtzeitig um das "Tempering" der Schokolade kümmern und ein paar Vorbereitungen machen.
Was ist Tempering?
Die direkte Übersetzung von "Tempering" (englisch) ist "temperieren" - ich finde es aber recht passend, dass "tempering" auf Englisch auch einen Vorgang beschreibt, mit welchem Stahl besonders widerstandsfähig gemacht wird.
Für die nerds: Das Schwert in zelda, a link to the past, Das man bekommt, wenn man den beiden Zwergen in kakariko village das master sword überlässt und neben dem golden sword das einzige ist, das ganon mit einer normalen Attacke verletzen kann, heißt offiziell "tempered sword"
(Wer jetzt nur Bahnhof versteht kann gerne weiterlesen. Das wissen um legend of zelda ist nur im höheren Zirkel der Chocolatiers notwendig *g*)
Und jetzt wird es etwas chemisch:
Ihr alle werdet schon mal bemerkt haben, dass eine Schokolade, die in der Sonne warm geworden ist nicht einfach abgekühlt werden kann, als wäre nichts gewesen. Die Qualität der Schokolade leidet enorm - meistens hat man einen weißen Film darauf und die Schokolade hat auch abgekühlt eine seltsame Konsistenz.
Schuld daran ist, dass die Schokolade ihr "Tempering" durch die Erwärmung verloren hat.
Schokolade besteht ja wie erwähnt zu einem großen Teil aus Kakaobutter. Kakaobutter, wie alle Fette, besteht aus Triglyceriden, die chemisch "polymorph" sind, also verschiedene Strukturen annehmen können. Diese Strukturen nennt man dann Kristall-Strukturen.
Es gibt 6 Kristallformen der Kakaobutter die jeweils verschiedene Schmelzpunkte haben:
Typ III und IV entstehen, wenn Schokolade einfach ohne weitere Schritte bei Raumtemperatur ausgehärtet wird (ohne vorher zu "tempern") - das Ergebnis ist eine feste Schokolade mit Schlieren und "Belag", die fest, aber ohne den charakteristischen "Snap" beim Abbrechen ist.
Typ V - Beta 2 - ist schließlich das, was wir alle in der Schokolade wollen. Eine semi-glänzende Schokolade, die beim Abbrechen einen "Snap" abgibt und im Mund zart schmilzt. - DAS ist der Zustand, den wir wollen.
Typ VI ist dann übrigens der Grund, warum auch gut "getemperter" Schokolade nicht ewig haltbar ist. Denn Typ 5-Kristalle formieren sich über viele Monate langsam zu VI um und dadurch wird die Schokolade hart, schmilzt nicht mehr cremig und bekommt wieder einen "Belag".
Erhitzt man nun eine Schokolade auf über 37 Grad, besser auf ca. 50 Grad (und zerstört damit alle Kristalle) und lässt sie dann einfach unkontrolliert wieder abkühlen, dann bildet sich ein Mischmasch aller oben genannten Kristallformen und die Schokolade hat keine appetitliche Struktur und keinen Glanz, oder wie man das in Fachkreisen nennt: "Bäh!"
Das "Tempering" ist somit der Vorgang, um die Schokolade beim Abkühlen dazu zu bringen, möglichst viele Typ 5 Beta-2 Kristalle zu bilden und möglichst wenig von den anderen.
Hier gibt es ein paar verschiedene Methoden, welche auf 2 "Grund-Arten" hinauslaufen: 1. Temperaturkontrolle und 2. "Seeding"
Alle Methoden haben als Basis, dass man mit möglichst kristallfreier Schokolade beginnen will (also diese auf 40-50 Grad erhitzt)
Unter Temperaturkontrolle fallen in der Praxis die hoch traditionelle "tabling" Methode und die modernere "Sous Vide" Methode. Diese Methoden machen sich die verschiedenen Schmelzpunkten der Kristalle zu nutze.
Die Sous Vide Methode
Bei der "Sous Vide" Methode wird die Schokolade zuerst erhitzt um alle Kristalle zu zerstören, danach wird sie wieder auf ca. 27 Grad abgekühlt (dabei entstehen Typ IV und V-Kristalle) und dann wieder zurück auf ca. 32 Grad aufgeheizt, um die Typ IV-Kristalle wieder zu zerstören und voila - es bleiben nur Typ 5-Kristalle übrig.
Wenn man die Schokolade nun abkühlt entstehen natürlich unterhalb der jeweiligen Temperaturen auch wieder andere Kristallformen, aber Triglyceride sind offenbar relativ "unkreativ", und wenn bereits viele Typ 5-Kristalle in der Masse sind, härten auch die anderen tendenziell als Typ 5 aus.
Vorteil dieser Methode: grundsätzlich sehr einfach
Nachteil dieser Methode: es dauert recht lange, bis die Schokolade durch und durch temperiert ist und es entstehen beim Abkühlen trotzdem andere Kristalle
Die "tabling" Methode
Die traditionelle Tabling-Methode (deutsch: "tablieren") spielt ebenfalls mit den Temperaturen, bringt aber als "Booster" für die Kristalle noch Bewegung mit ins Spiel. Klassisch wird ein Teil der geschmolzenen Schokolade auf eine Marmorplatte geschüttet und dort mit zwei Spateln hin und her geschoben und vermischt.
Nach einiger Zeit erlangt die Schokolade eine Temperatur von ca. 27 Grad wie in der "Sous Vide Methode". Zu diesem Zeitpunkt werden wieder Typ V und IV Kristalle gebildet. Wenn dann aber zu diesem Zeitpunkt die restliche Menge der noch wärmeren geschmolzenen Schokolade hinzugefügt wird und die Temperatur wieder auf 31 bis 32°C ansteigt, werden die Typ IV-Kristalle wieder eingeschmolzen. Es bleiben dann nur stabile Kristalle übrig.
Vorteil der Methode: Grundsätzlich eine bessere Typ V-Kristallstruktur durch zusätzliche "Bewegung"
Nachteil der Methode: Sehr fehleranfällig und sehr "messy"
Die "seeding" Methode mit Schokolade
Beim Seeding spielt man weniger mit den Temperaturen sondern nutzt die "Faulheit" der Kristalle. Man bringt gleich zu Beginn "künstlich" sehr viele Typ V-Kristalle ein und die anderen Kristalle formen sich nach diesem Vorbild.
Dabei wird in "ungetemperte" Schokolade bei ca. 33 Grad einfach bereits vorher "getemperte" Schokolade in geriebener Form eingestreut. Diese Schokolade dient den Triglyceriden dann als Muster für Typ V
Vorteil der Methode: sehr einfach zu handhaben und ein relativ gutes Ergebnis
Nachteil der Methode: man bringt "Fremdschokolade" ins Produkt und je nach Qualität des "temperings" der Seeding-Schokolade eventuell auch falsche Kristalle
Die "seeding" Methode mit Kakaobutter-Seide ("Silk")
Diese Methode funktioniert grundsätzlich genau gleich wie das Seeding mit Schokolade, jedoch wird nicht "Fremdschokolade" eingestreut, sondern "Cocoa Butter Silk". Das ist Kakaobutter, die so behandelt wurde, dass sie sogut wie ausschließlich aus sehr sehr stabilen Typ 5-Kristallen besteht.
Vorteil der Methode: mit entsprechender Vorbereitung extrem einfach und ein phänomenales Ergebnis
Nachteil der Methode: großer Aufwand zur Vorbereitung.
Und wie wird nun "Silk" hergestellt?
Das kann jeder zu Hause mit einem Sous Vide Gerät!
Man nehme eine nicht genauer gemessene Masse an Kakaobutter (roh oder "refined" ist egal) und vakuumiere sie in einem Beutel (wobei ich hier nicht "komplett" vakuumiert habe, da ich mir nicht sicher war, wie der "Druck" des Vakuums auf die Kristalle Einfluss hat).
gebe sie bei exakt 92,5 Grad FAHRENHEIT (das entspricht 33,611 Grad Celsius) für 12-24 h ins Wasserbad. Da mein Sous Vide nur 0,5 Grad Schritte hat habe ich auf Fahrenheit umgestellt, um nicht 0,1 Grad zu niedrig zu sein!
Wichtig ist, dass die Kakaobutter NICHT "durchsichtig" werden darf, wie wenn man sie im Topf schmilzt - sie muss mit der Zeit Farbe und Konsistenz von Mayonnaise annehmen:
Dann entweder im Wasserbad lassen und "warm" verarbeiten (so hab ich es gemacht) oder abkühlen lassen und dann mit einer Handreibe in feine Späne reiben.
Den Rest kann man problemlos vakuumiert an einem kühlen Ort sehr lange aufbewahren.
Weiter geht's mit der Schokolade
Der dritte Tag
...begann zuerst mit einem ordentlichen Frühstück
bevor ich mal überprüft habe, wie die gestern vor dem conchieren abgezweigte Schokolade so aussieht:
HIER sieht man, dass die lange Textwurst über die Kristallformen kein Hokus Pokus war - denn genau so sieht schlecht "getemperte" Schokolade aus
Aber es ist nichts verloren. Alles aufheizen, Kristalle zerstören und neu bilden!
Nun geht es ans "tempern" mit der Seeding-Methode mit "Silk" - Schritt für Schritt
Zuerst brauchen wir ein weiteres Wasserbad - bestenfalls mit der selben Temperatur von 92,5F/33,6C - da der Topf mit der "Silk" jedoch zu klein war wurde kurzerhand der "mittlere" Sous Vide aus dem Keller geholt (ja, es gibt noch einen GN 1/1 als "großen").
Ist er dann auf Temperatur, kommt die Schüssel rein:
Ich dachte - jetzt einfach warten und bald hat die ganze Masse die richtige Temperatur - leider hatte ich aber unterschätzt, wie viel Temperatur von der Umluft aufgenommen wird, und auch nach einigem "drehen und wenden" war oben nach einiger Zeit immer wieder alles hart.
Parallel wurde dann die fertig conchierte Masse aus dem Melanger in eine Edelstahlschüssel geleert (dabei unbedingt abwiegen!)
Bei der zu schmelzenden Masse dann wieder zur Heißluftpistole gegriffen, und die Masse vorsichtig erwärmt
Dann war sie über dem "kritischen" Punkt - ich würde jedoch fast empfehlen auf über 35 (besser über 40) Grad zu gehen, um sicher zu sein, dass alle Kristalle zerstört sind:
Ab hier geht es für beide "Massen" (also die wieder erwärmte als auch die 24h conchierte und nach wie vor flüssige) gleich weiter:
In diesem Moment bemerkte ich, dass mein IR-Thermometer nicht gut kalibriert ist:
Also brauche ich wohl ein neues für Labore - passt farblich auch super zur Heißluftpistole:
Gleich auf kaufen klic...
what?
Hmm... Mit 1 Grad Abweichung kann man doch gut leben
Das "Tempering" und gießen
Da es jetzt aber wirklich um "jedes Grad" geht wird erstmal mit dem Thermopen weitergearbeitet, denn nun muss man warten, bis die Masse wieder auf 33,5 Grad ist.
Nun messen wir zuerst exakt 1 % des Gewichts der Schokolade aus der cremigen "Silk" heraus (alternativ wie erwähnt die ausgehärtete "Silk" einfach fein reiben)
Dies dann in die Masse einarbeiten bis es völlig "aufgelöst" ist:
Ab hier muss man umso präziser arbeiten - denn wenn man jetzt zu viel Wärme rein bringt, schmelzen die wertvollen Silk-Kristalle und wenn es gleich abkühlt, wird es schwierig, die Schokolade zu gießen.
Zuvor wird jedoch noch der "Temper-Test" gemacht - eine dicken Tropfen auf ein Backpapier und liegen lassen, nach 2-3 Minuten sollte die Schokolade fest sein und sich ablösen lassen:
Temper-Test bestanden, also ab in die vorbereiteten Formen:
Man sollte dabei möglichst nur "1 mal" gießen pro Form - also versuchen, relativ gut abzuschätzen und am besten gleich im "zick zack" einfüllen, damit die einzelnen Rippen gefüllt werden.
Danach die Form ein wenig schütteln, bis die Masse möglichst gleichmäßig in der Form verteilt ist.
Nun muss man sich noch um die "Luftblasen" kümmern, die in der Masse sind - hierzu zuerst mal grob die Form ein paar mal auf den Tisch "klopfen".
Um dann nochmal möglichst viele kleine Luftblasen an die Oberfläche zu befördern gibt es erstmals eine harmonische Symbiose zwischen Zahnarzt und Schokolade:
Ja, die Ultraschallbürste einfach auf die Seite andrücken und durch die Vibrationen kommen ganz viele kleine Luftblasen an die Oberfläche.
Wenn dann die Tafeln zur Zufriedenheit gegossen sind, kommen diese KURZ für 5 Minuten in den Kühlschrank:
Unbedingt den Timer stellen und nach 5 Minuten rausnehmen - ein vollständiges aushärten im Kühlschrank würde die Bildung von Typ I und II-Kristallen fördern, und das wollen wir sicher nicht!
Danach am besten bei kühler Raumtemperatur aushärten:
(Und bestenfalls einen Sternenzerstörer dazustellen, der Schleckermäuler abhält!)
Am optimalsten wären um die 15 Grad und relativ trockene Luft. In unserem Fall wurde die Klimaanlage auf die Schoki ausgerichtet:
und jetzt Geduld! Hin und wieder hört ihr ein Knacken, denn wenn die Schokolade richtig "getempert" ist, dann löst sie sich beim aushärten ganz automatisch aus der Form (tut sie das nicht, hat man einen Fehler beim tempering gemacht). Hier sieht man, wie sie sich am Rand bereits löst.
Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Oberfläche. Diese sollte einen seidigen Glanz haben:
Wenn sich die Schokolade dann völlig gelöst hat (kann schon mal auch 1h+ dauern), dann vorsichtig aus der Form Kippen (sollte von selbst rausfallen oder maximal eine ganz kleine "Biegung" der Form brauchen)
Und wenn man alles richtig gemacht hat, dann sollten die Tafeln ungefähr so aussehen:
Übrigens, wenn einige Rippen so aussehen:
dann war noch ein Wassertropfen in der Form:
Denn WASSER ist der Todfeind der Schokolade - wenn da nur ein Tropfen in die Masse kommt, ist sie unrettbar (!) verloren.
(Eine Ausnahme gibt es nur, wenn es ein 3-Stern-Koch macht: https://www.grillsportverein.de/for...se-on-the-planet-by-heston-blumenthal.311266/
)
Dann fehlt eigentlich nur mehr schön verpacken und beschriften, und fertig ist die home made artisan bean-to-bar-Schokolade
Das Ganze ist doch ein Kinderspiel
Ach ja....
wie schmeckt sie denn?
Also erstmal vorweg: geschmolzen ist sie zum niederknien (also es wird demnächst mal damit ein Schokofondue geben)
Als Tafel ist sie sehr "pur" - ist es die "beste" Schokolade, die ich je gegessen habe? Nein, sicher nicht. Aber sie ist tatsächlich sehr lecker und auch der Unterschied zwischen "conchiert" und "nicht conchiert" ist eklatant. Unconchiert ist sie relativ herb und "kantig" - conchiert ist sie dagegen sehr harmonisch und rund.
Für mich war das aber auch der erste Test, von dem weg ich nun weitere Rezepte und Mixturen entwickeln kann.
Die erste selbst gemachte Schokolade, aber nicht die letzte
(ich sollte nur möglichst viel davon verschenken, sonst passe ich nächstes Jahr definitiv nicht mehr in den Hochzeitsanzug *g*)
Und jetzt wird es Zeit für den Schoki-Trend im GSV
Wie ich schon hier gepostet habe - ich habe mir eine neue Heißluftpistole gekauft
Aber niemand hat erraten, wofür

Naja - es war ja auch nur die Hälfte der Informationen, denn ich habe mir noch ein paar Sachen gekauft:
Einen "Chocolate Melanger"

Da aber ein paar Steinrollen noch keine Schokolade machen, gab es noch ein wenig "Stoff" dazu:
Wenn schon "artisan bean-to-bar chocolate", dann natürlich nur mit den besten Zutaten. Also einen Vorrat an "Valrhona" Kakaobohnen, Bio Kakaobutter und richtig professionelle Gussformen angeschafft.
Während mein neuer "Melanger" im Reinigungsmodus (ca. 1 Stunde mit einer Mischung aus Kakaobutter und Zucker laufen lassen, die danach - leider - entsorgt wird) ist...
... haben wir etwas Zeit für "Theorie":
Was ist Schokolade?
Was Schokolade zu Schokolade macht ist - das ist kein großes Geheimnis - die Kakaobohne. Kakaobohnen sind die Frucht des Baumes Theobroma cacao.
Die Schokolade ist dann im Grunde eine Emulsion aus Kakaobutter (woraus Kakaobohnen zu ca 50 % bestehen), Zucker und den organischen Komponenten der Kakaobohne.
Diese Kakaobohnen müssen aus der "Frucht" entnommen und dann fermentiert und geröstet werden (roh sind sie nicht zu verarbeiten). Das ist ein relativ aufwändiger Prozess, da die dünne "Haut" der Bohnen erst nach dem Rösten abgeht und es dann aber umso schwieriger wird, die Bohnen von den Bruchstücken der "Haut" zu trennen. Daher hab ich diesen Schritt nicht selbst durchgeführt sondern habe fertig geröstete und gehackte Bohnen ("Nibs") gekauft.
Grundsätzlich (!) könnte jeder selbst Schokolade herstellen, indem man Kakaobohnen mit einem Mörser zerkleinert und dann mit Zucker und etwas purer Kakobutter mischt. Das Problem ist aber, dass die Schokolade dann die innere Konsistenz von "Gries" hat - also wie eine pulverige Flüssigkeit.
Der Grund dafür liegt in unserem grandiosen Sensorikorgan "Zunge" - denn diese ist in der Lage, Partikel bis zu einer Größe von 10 Micron (das sind 0,01 Millimeter) erspüren. Daher ist es notwendig, die Kakaobohen zu mahlen bis die einzelnen Partikel kleiner als 10 Micron sind. Der Vorteil: Während diesem Mahl-Prozess wird auch die Kakaobutter aus den Bohnen extrahiert, was die Schokolade erst sämig-cremig macht.
Und genau hier kommt der "Chocolate Melanger" ins Spiel - über viele Stunden hinweig werden die Komponenten der Schokolade auf unter 10 Micron gemahlen.
Aber ein Schritt nach dem anderen - inzwischen ist das "Reinigungsprogramm" absolviert und es geht weiter:
Wir machen 1 KG Schokoladenmasse im Verhältnis 60/30/10 (Kakaobohne/Zucker/Kakaobutter pur) - damit ergibt sich ein Anteil der Kakaobutter von ca. 40 % im Endprodukt.
Also, wie funktioniert das?
Bevor wir zum Mise en Place kommen werden die Schale und die Mahlsteine auf ca. 50 Grad C aufgeheizt - über den ganzen Prozess wollen wir, dass die Schokolade zwischen 45 und 50 Grad C hat - durch die Temperatur wird die Kakaobutter besser extrahiert.
Nun zum "Mise en Place":
Als Zucker sollte man einen besonders fein gemahlenen nehmen, um der Maschine Arbeit abzunehmen (Achtung: KEINEN Staubzucker!)
Ich nehme diesen hier:
Um die Temperatur möglichst gleich zu halten, heize ich die Kakao Nibs ebenfalls auf ca. 45-50 Grad auf.
Gleichzeitig wird die Kakaobutter geschmolzen (zB in der Mikrowelle) und dann wird erstmal die ganze flüssige Kakaobutter in die laufende Maschine gegeben um alles zu "schmieren" und die Basis für die Masse zu bilden.
Dann werden die Kakao-Nibs in kleineren "Portionen" (nicht alles auf einmal!) in den laufenden Melanger geschüttet.
Währenddessen kann passieren, dass die Temperatur abfällt (weil die Maschine noch nicht lange läuft und die Nibs vielleicht noch nicht ganz warm waren)
Hier kommt nun die Heizpistole ins Spiel (ihr könnt zur Not aber auch einen "Föhn" nehmen). Es wird Hitze zugeführt:
bis die Temperatur wieder passt
Dann immer wieder in kleineren Portionen die Kakao Nibs hineingeben (man hört es zuerst etwas "rumpeln" und nach einigen Minuten wird es wieder ruhiger und dann kommt der nächste Löffel hinein bis dann alle Nibs eingearbeitet sind:
ab hier heißt es "warten" - wenn ihr jetzt kostet habt ihr eine Masse mit spürbaren Partikeln und absolut keiner Süße.
Damit kann man sich die 6 Stunden Wartezeit bis zum nächsten Schritt also leider nicht "versüßen"

Nach 6 Stunden ist die Masse noch lange nicht fertig, aber zumindest soweit homogen gemahlen, um den Zucker einzuarbeiten:
Doch zuvor wird der Zucker wieder auf ca. 50 Grad aufgeheizt, damit die Temperatur im Melanger nicht zu tief fällt:
Dann auch hier wieder in kleineren Portionen einarbeiten:
und bei bedarf wieder Hitze zugeben:
Nun könnt ihr kosten - das lustige in dieser Phase ist, dass es noch keine homogene Masse ist, sondern eben nur eine grobe Mischung. Mein Mann hat die Kostprobe als "Reise" beschrieben - zuerst schmeckt man den bitteren Kakao, nach einigen Sekunden dann den Zucker.
Ob es das Wert war, den ganzen Aufwand - das schmeckt ja nicht besonders gut!
Nun heißt es also wieder warten - denn von Beginn weg gerechnet braucht der Melanger 24 Stunden, bis die Masse auf unter 10 Micron gemahlen ist.
Leider ist der Melanger nicht unbedingt der leiseste Gefährte, daher wurde er für die "Nachtschicht" kurzerhand in den Wohnkeller verfrachtet:
Der zweite Tag
Nach einer ruhigen Nacht (gottseidank hat unser Keller keine Nachbarn) geht es munter weiter - mal schauen, wie weit das Gerät ist:
Eine kleine Kostprobe...
OH MEIN GOTT!!
Was habe ich "gestern" gefragt? Ist es das Wert?
Meine Güte - WOW!
Ok...
Zurück an die Arbeit - noch bin ich ja noch nicht fertig
Nach 24 Stunden wird nun zuerst eine kleine Probe abgefüllt
Und für den Rest beginnt nun das "Conchieren"
Was ist conchieren?
Im Jahr 1879 erfand Rudolf Lindt die "Conche" mit der Rohschokolade in mehrerlei Hinsicht verfeinert wird. Zum einen wird die Feuchtigkeit der Schokoladenmasse reduziert (denn Wasser und Feuchtigkeit sind Gift für Schokolade - mehr dazu später). Gleichzeitig wird auch der Säuregehalt der Schokolademasse verringert und die Schokolade wird harmonischer.
Und wie conchiert man nun zu Hause? Habe ich etwa noch eine Conche gekauft?
Eine "Conche" ist im Grunde ein simples Instrument - es ist eine Walze, die durch die Schokolade gleitet und sie "umwälzt"
Kommt euch das bekannt vor?
Ja - der Melanger ist gleichzeitig eine Conche.
Man muss nur den "Druck" von den Walzen nehmen und schon fungiert das Gerät als Conche:
Das heißt, die Schokolademasse wird nun (mit offenem Deckel) weitere 24 h umgewälzt und conchiert
Bevor wir nun weitere 24 Stunden warten, müssen wir uns jedoch rechtzeitig um das "Tempering" der Schokolade kümmern und ein paar Vorbereitungen machen.
Was ist Tempering?
Die direkte Übersetzung von "Tempering" (englisch) ist "temperieren" - ich finde es aber recht passend, dass "tempering" auf Englisch auch einen Vorgang beschreibt, mit welchem Stahl besonders widerstandsfähig gemacht wird.
Für die nerds: Das Schwert in zelda, a link to the past, Das man bekommt, wenn man den beiden Zwergen in kakariko village das master sword überlässt und neben dem golden sword das einzige ist, das ganon mit einer normalen Attacke verletzen kann, heißt offiziell "tempered sword"
(Wer jetzt nur Bahnhof versteht kann gerne weiterlesen. Das wissen um legend of zelda ist nur im höheren Zirkel der Chocolatiers notwendig *g*)
Und jetzt wird es etwas chemisch:
Ihr alle werdet schon mal bemerkt haben, dass eine Schokolade, die in der Sonne warm geworden ist nicht einfach abgekühlt werden kann, als wäre nichts gewesen. Die Qualität der Schokolade leidet enorm - meistens hat man einen weißen Film darauf und die Schokolade hat auch abgekühlt eine seltsame Konsistenz.
Schuld daran ist, dass die Schokolade ihr "Tempering" durch die Erwärmung verloren hat.
Schokolade besteht ja wie erwähnt zu einem großen Teil aus Kakaobutter. Kakaobutter, wie alle Fette, besteht aus Triglyceriden, die chemisch "polymorph" sind, also verschiedene Strukturen annehmen können. Diese Strukturen nennt man dann Kristall-Strukturen.
Es gibt 6 Kristallformen der Kakaobutter die jeweils verschiedene Schmelzpunkte haben:
- Typ I (beta-prime 2) - 17,3° C
- Typ II (alpha) - 23,3° C
- Typ III - 25,5° C
- Typ IV (beta-prime 1) - 27,3° C
- Typ V (beta 2) - 33,8° C
- Typ VI (beta 1) - 36,3° C
Typ III und IV entstehen, wenn Schokolade einfach ohne weitere Schritte bei Raumtemperatur ausgehärtet wird (ohne vorher zu "tempern") - das Ergebnis ist eine feste Schokolade mit Schlieren und "Belag", die fest, aber ohne den charakteristischen "Snap" beim Abbrechen ist.
Typ V - Beta 2 - ist schließlich das, was wir alle in der Schokolade wollen. Eine semi-glänzende Schokolade, die beim Abbrechen einen "Snap" abgibt und im Mund zart schmilzt. - DAS ist der Zustand, den wir wollen.
Typ VI ist dann übrigens der Grund, warum auch gut "getemperter" Schokolade nicht ewig haltbar ist. Denn Typ 5-Kristalle formieren sich über viele Monate langsam zu VI um und dadurch wird die Schokolade hart, schmilzt nicht mehr cremig und bekommt wieder einen "Belag".
Erhitzt man nun eine Schokolade auf über 37 Grad, besser auf ca. 50 Grad (und zerstört damit alle Kristalle) und lässt sie dann einfach unkontrolliert wieder abkühlen, dann bildet sich ein Mischmasch aller oben genannten Kristallformen und die Schokolade hat keine appetitliche Struktur und keinen Glanz, oder wie man das in Fachkreisen nennt: "Bäh!"
Das "Tempering" ist somit der Vorgang, um die Schokolade beim Abkühlen dazu zu bringen, möglichst viele Typ 5 Beta-2 Kristalle zu bilden und möglichst wenig von den anderen.
Hier gibt es ein paar verschiedene Methoden, welche auf 2 "Grund-Arten" hinauslaufen: 1. Temperaturkontrolle und 2. "Seeding"
Alle Methoden haben als Basis, dass man mit möglichst kristallfreier Schokolade beginnen will (also diese auf 40-50 Grad erhitzt)
Unter Temperaturkontrolle fallen in der Praxis die hoch traditionelle "tabling" Methode und die modernere "Sous Vide" Methode. Diese Methoden machen sich die verschiedenen Schmelzpunkten der Kristalle zu nutze.
Die Sous Vide Methode
Bei der "Sous Vide" Methode wird die Schokolade zuerst erhitzt um alle Kristalle zu zerstören, danach wird sie wieder auf ca. 27 Grad abgekühlt (dabei entstehen Typ IV und V-Kristalle) und dann wieder zurück auf ca. 32 Grad aufgeheizt, um die Typ IV-Kristalle wieder zu zerstören und voila - es bleiben nur Typ 5-Kristalle übrig.
Wenn man die Schokolade nun abkühlt entstehen natürlich unterhalb der jeweiligen Temperaturen auch wieder andere Kristallformen, aber Triglyceride sind offenbar relativ "unkreativ", und wenn bereits viele Typ 5-Kristalle in der Masse sind, härten auch die anderen tendenziell als Typ 5 aus.
Vorteil dieser Methode: grundsätzlich sehr einfach
Nachteil dieser Methode: es dauert recht lange, bis die Schokolade durch und durch temperiert ist und es entstehen beim Abkühlen trotzdem andere Kristalle
Die "tabling" Methode
Die traditionelle Tabling-Methode (deutsch: "tablieren") spielt ebenfalls mit den Temperaturen, bringt aber als "Booster" für die Kristalle noch Bewegung mit ins Spiel. Klassisch wird ein Teil der geschmolzenen Schokolade auf eine Marmorplatte geschüttet und dort mit zwei Spateln hin und her geschoben und vermischt.
Nach einiger Zeit erlangt die Schokolade eine Temperatur von ca. 27 Grad wie in der "Sous Vide Methode". Zu diesem Zeitpunkt werden wieder Typ V und IV Kristalle gebildet. Wenn dann aber zu diesem Zeitpunkt die restliche Menge der noch wärmeren geschmolzenen Schokolade hinzugefügt wird und die Temperatur wieder auf 31 bis 32°C ansteigt, werden die Typ IV-Kristalle wieder eingeschmolzen. Es bleiben dann nur stabile Kristalle übrig.
Vorteil der Methode: Grundsätzlich eine bessere Typ V-Kristallstruktur durch zusätzliche "Bewegung"
Nachteil der Methode: Sehr fehleranfällig und sehr "messy"
Die "seeding" Methode mit Schokolade
Beim Seeding spielt man weniger mit den Temperaturen sondern nutzt die "Faulheit" der Kristalle. Man bringt gleich zu Beginn "künstlich" sehr viele Typ V-Kristalle ein und die anderen Kristalle formen sich nach diesem Vorbild.
Dabei wird in "ungetemperte" Schokolade bei ca. 33 Grad einfach bereits vorher "getemperte" Schokolade in geriebener Form eingestreut. Diese Schokolade dient den Triglyceriden dann als Muster für Typ V
Vorteil der Methode: sehr einfach zu handhaben und ein relativ gutes Ergebnis
Nachteil der Methode: man bringt "Fremdschokolade" ins Produkt und je nach Qualität des "temperings" der Seeding-Schokolade eventuell auch falsche Kristalle
Die "seeding" Methode mit Kakaobutter-Seide ("Silk")
Diese Methode funktioniert grundsätzlich genau gleich wie das Seeding mit Schokolade, jedoch wird nicht "Fremdschokolade" eingestreut, sondern "Cocoa Butter Silk". Das ist Kakaobutter, die so behandelt wurde, dass sie sogut wie ausschließlich aus sehr sehr stabilen Typ 5-Kristallen besteht.
Vorteil der Methode: mit entsprechender Vorbereitung extrem einfach und ein phänomenales Ergebnis
Nachteil der Methode: großer Aufwand zur Vorbereitung.
Und wie wird nun "Silk" hergestellt?
Das kann jeder zu Hause mit einem Sous Vide Gerät!
Man nehme eine nicht genauer gemessene Masse an Kakaobutter (roh oder "refined" ist egal) und vakuumiere sie in einem Beutel (wobei ich hier nicht "komplett" vakuumiert habe, da ich mir nicht sicher war, wie der "Druck" des Vakuums auf die Kristalle Einfluss hat).
gebe sie bei exakt 92,5 Grad FAHRENHEIT (das entspricht 33,611 Grad Celsius) für 12-24 h ins Wasserbad. Da mein Sous Vide nur 0,5 Grad Schritte hat habe ich auf Fahrenheit umgestellt, um nicht 0,1 Grad zu niedrig zu sein!
Wichtig ist, dass die Kakaobutter NICHT "durchsichtig" werden darf, wie wenn man sie im Topf schmilzt - sie muss mit der Zeit Farbe und Konsistenz von Mayonnaise annehmen:
Dann entweder im Wasserbad lassen und "warm" verarbeiten (so hab ich es gemacht) oder abkühlen lassen und dann mit einer Handreibe in feine Späne reiben.
Den Rest kann man problemlos vakuumiert an einem kühlen Ort sehr lange aufbewahren.
Weiter geht's mit der Schokolade
Der dritte Tag
...begann zuerst mit einem ordentlichen Frühstück
bevor ich mal überprüft habe, wie die gestern vor dem conchieren abgezweigte Schokolade so aussieht:
HIER sieht man, dass die lange Textwurst über die Kristallformen kein Hokus Pokus war - denn genau so sieht schlecht "getemperte" Schokolade aus

Aber es ist nichts verloren. Alles aufheizen, Kristalle zerstören und neu bilden!
Nun geht es ans "tempern" mit der Seeding-Methode mit "Silk" - Schritt für Schritt
Zuerst brauchen wir ein weiteres Wasserbad - bestenfalls mit der selben Temperatur von 92,5F/33,6C - da der Topf mit der "Silk" jedoch zu klein war wurde kurzerhand der "mittlere" Sous Vide aus dem Keller geholt (ja, es gibt noch einen GN 1/1 als "großen").
Ist er dann auf Temperatur, kommt die Schüssel rein:
Ich dachte - jetzt einfach warten und bald hat die ganze Masse die richtige Temperatur - leider hatte ich aber unterschätzt, wie viel Temperatur von der Umluft aufgenommen wird, und auch nach einigem "drehen und wenden" war oben nach einiger Zeit immer wieder alles hart.
Parallel wurde dann die fertig conchierte Masse aus dem Melanger in eine Edelstahlschüssel geleert (dabei unbedingt abwiegen!)
Bei der zu schmelzenden Masse dann wieder zur Heißluftpistole gegriffen, und die Masse vorsichtig erwärmt
Dann war sie über dem "kritischen" Punkt - ich würde jedoch fast empfehlen auf über 35 (besser über 40) Grad zu gehen, um sicher zu sein, dass alle Kristalle zerstört sind:
Ab hier geht es für beide "Massen" (also die wieder erwärmte als auch die 24h conchierte und nach wie vor flüssige) gleich weiter:
In diesem Moment bemerkte ich, dass mein IR-Thermometer nicht gut kalibriert ist:
Also brauche ich wohl ein neues für Labore - passt farblich auch super zur Heißluftpistole:
Gleich auf kaufen klic...
what?

Hmm... Mit 1 Grad Abweichung kann man doch gut leben

Das "Tempering" und gießen
Da es jetzt aber wirklich um "jedes Grad" geht wird erstmal mit dem Thermopen weitergearbeitet, denn nun muss man warten, bis die Masse wieder auf 33,5 Grad ist.
Nun messen wir zuerst exakt 1 % des Gewichts der Schokolade aus der cremigen "Silk" heraus (alternativ wie erwähnt die ausgehärtete "Silk" einfach fein reiben)
Dies dann in die Masse einarbeiten bis es völlig "aufgelöst" ist:
Ab hier muss man umso präziser arbeiten - denn wenn man jetzt zu viel Wärme rein bringt, schmelzen die wertvollen Silk-Kristalle und wenn es gleich abkühlt, wird es schwierig, die Schokolade zu gießen.
Zuvor wird jedoch noch der "Temper-Test" gemacht - eine dicken Tropfen auf ein Backpapier und liegen lassen, nach 2-3 Minuten sollte die Schokolade fest sein und sich ablösen lassen:
Temper-Test bestanden, also ab in die vorbereiteten Formen:
Man sollte dabei möglichst nur "1 mal" gießen pro Form - also versuchen, relativ gut abzuschätzen und am besten gleich im "zick zack" einfüllen, damit die einzelnen Rippen gefüllt werden.
Danach die Form ein wenig schütteln, bis die Masse möglichst gleichmäßig in der Form verteilt ist.
Nun muss man sich noch um die "Luftblasen" kümmern, die in der Masse sind - hierzu zuerst mal grob die Form ein paar mal auf den Tisch "klopfen".
Um dann nochmal möglichst viele kleine Luftblasen an die Oberfläche zu befördern gibt es erstmals eine harmonische Symbiose zwischen Zahnarzt und Schokolade:
Ja, die Ultraschallbürste einfach auf die Seite andrücken und durch die Vibrationen kommen ganz viele kleine Luftblasen an die Oberfläche.
Wenn dann die Tafeln zur Zufriedenheit gegossen sind, kommen diese KURZ für 5 Minuten in den Kühlschrank:
Unbedingt den Timer stellen und nach 5 Minuten rausnehmen - ein vollständiges aushärten im Kühlschrank würde die Bildung von Typ I und II-Kristallen fördern, und das wollen wir sicher nicht!
Danach am besten bei kühler Raumtemperatur aushärten:
(Und bestenfalls einen Sternenzerstörer dazustellen, der Schleckermäuler abhält!)
Am optimalsten wären um die 15 Grad und relativ trockene Luft. In unserem Fall wurde die Klimaanlage auf die Schoki ausgerichtet:
und jetzt Geduld! Hin und wieder hört ihr ein Knacken, denn wenn die Schokolade richtig "getempert" ist, dann löst sie sich beim aushärten ganz automatisch aus der Form (tut sie das nicht, hat man einen Fehler beim tempering gemacht). Hier sieht man, wie sie sich am Rand bereits löst.
Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Oberfläche. Diese sollte einen seidigen Glanz haben:
Wenn sich die Schokolade dann völlig gelöst hat (kann schon mal auch 1h+ dauern), dann vorsichtig aus der Form Kippen (sollte von selbst rausfallen oder maximal eine ganz kleine "Biegung" der Form brauchen)
Und wenn man alles richtig gemacht hat, dann sollten die Tafeln ungefähr so aussehen:
Übrigens, wenn einige Rippen so aussehen:
dann war noch ein Wassertropfen in der Form:
Denn WASSER ist der Todfeind der Schokolade - wenn da nur ein Tropfen in die Masse kommt, ist sie unrettbar (!) verloren.
(Eine Ausnahme gibt es nur, wenn es ein 3-Stern-Koch macht: https://www.grillsportverein.de/for...se-on-the-planet-by-heston-blumenthal.311266/

Dann fehlt eigentlich nur mehr schön verpacken und beschriften, und fertig ist die home made artisan bean-to-bar-Schokolade
Das Ganze ist doch ein Kinderspiel

Ach ja....
wie schmeckt sie denn?
Also erstmal vorweg: geschmolzen ist sie zum niederknien (also es wird demnächst mal damit ein Schokofondue geben)
Als Tafel ist sie sehr "pur" - ist es die "beste" Schokolade, die ich je gegessen habe? Nein, sicher nicht. Aber sie ist tatsächlich sehr lecker und auch der Unterschied zwischen "conchiert" und "nicht conchiert" ist eklatant. Unconchiert ist sie relativ herb und "kantig" - conchiert ist sie dagegen sehr harmonisch und rund.
Für mich war das aber auch der erste Test, von dem weg ich nun weitere Rezepte und Mixturen entwickeln kann.
Die erste selbst gemachte Schokolade, aber nicht die letzte
(ich sollte nur möglichst viel davon verschenken, sonst passe ich nächstes Jahr definitiv nicht mehr in den Hochzeitsanzug *g*)
Und jetzt wird es Zeit für den Schoki-Trend im GSV
