Moin.
Als ebenfalls gelernter Koch mit etwas über 40 aktiven Jahren aufm Buckel darf ich mal versuchen zu vermitteln!
Ich denke, man muss das ganze "Problem" mal relativieren!
Was die Allgemeinheit in der Regel vom ganzen Küchen-Geschehen mitbekommt, findet in der
Unterhaltungsindustrie statt, also im Fernsehen! Da irgendwann während meiner 20 Jährigen Abwesenheit in Europa, offensichtlich RANDALE zum größten Unterhaltungsfaktor mutiert ist, wird natürlich auch im Kochsegment vorwiegend RANDALE gezeigt! Das hat genau so wenig mit der Realität zu tun, wie die heile Welt der sogenannten Fernsehköche!
Die Fakten sind:
Einen garantierten 8 Stunden Tag für einen Koch, egal ob ausgelernt oder Azubi, gibt es nur in der System-Gastronomie! Evtl. auch noch in Firmenkantinen! Das hat nicht einmal unbedingt etwas mit Böswilligkeit des Arbeitgebers oder des "Chefs" zu tun sondern liegt ganz einfach in den Unwägbarkeiten des Gewerbes!!
Kein Gast ist begeistert wenn er hört, er könne nicht mehr bestellen, weil die 8 Arbeitsstunden des Kochs gerade abgelaufen sind!!
Was gemeinhin als "anschreien" in Küchen wahrgenommen wird hängt auch nicht unbedingt mit einem "Arschloch", "Sadisten" oder "Narzissten" zusammen sondern oft ganz einfach mit der Größe der Küche (in Hotels oft mehrere hundert m²) und dem Lärmpegel der grundsätzlich dort herrscht!!
Den meisten Stress den
ich hatte, habe ich mir selbst gemacht! Z.B. weil ich es mir auch als "Executive Chef", verantwortlich für 3 Hotels im Ressort gleichzeitig, nicht habe nehmen lassen, mit meinen Jungs und Mädels ZU KOCHEN! Immer an der Front! Das kannste dann aber auch nur mit 2 - 3 hochmotivierten "Sous Chefs" stemmen!
Hierarchie in der Küche!!
JA!!! Unbedingt und ganz besonders zu Servicezeiten!! Da kann es
keine Demokratie geben!! Das hat aber auch überhaupt nix negatives!! Wenn Du
jeden Mittag und Abend mehrere hundert Essen schicken musst, ist da weder Platz noch Zeit für Diskussionen!
Das wirklich Schlimme ist und darüber hat noch niemand gesprochen, dass in diesem Land eine festangestellte, ungelernte Servicekraft (Kellner ist ja schon lange kein Ausbildungsberuf mehr) erheblich mehr verdient als ein ausgebildeter Koch!! NEIN, nicht MIT Trinkgeld, sondern per Grundgehalt!!
Was die angesprochene, oft grenzenlose Selbstüberschätzung
einiger Hobbyköche angeht, hab ich 3 Dinge zu sagen:
1. wer Buletten-Brötchen oder Bier-Arsch-Gockel zaubern kann, von mir aus auch für 30 Personen, ................... einmal im Jahr, ...................... na ja, ........... hat nun wirklich keine Basis, sich mit nem Profi zu vergleichen!
2. brauchen wir uns nur so einige Uservorstellungen ansehen! "Hallo, ich grille seit einem halben Jahr .........." ............ und im Nick ist doch das Wort "Meister" mit eingearbeitet!!
3. bin ich überzeugt, dass es
einige Hobbyköche gibt, die, was das Vermögen zu kochen angeht,
viele der "berühmten" Fernsehköche mit links an die Wand kochen!!
Ich habe, so wie die meisten meiner (mir bekannten) Kollegen auch, meine Mitarbeiter/Mitstreiter immer mit Respekt behandelt, wenn auch manchmal, situationsbedingt, mit etwas lauterem Respekt!!
Ich betrachte die "Gordon Ramsays" dieser Welt als Beleidigung für unseren Berufsstand und gleichzeitig als eine, von der Unterhaltungsindustrie geschaffene, Verzerrung der Realität!
Es wäre Schade den Beitrag nur auf das Thema Stress in der Sterne/Profiküche zu reduzieren
Folgende Frage wurde mir häufigst gestellt!: "Wenn dass so 'n Stress ist und bei den Arbeitszeiten, warum machste das denn dann??"
Für mich ganz einfach zu beantworten! Es ist meine Leidenschaft, mit allem was dazu gehört!! Und wer jemals das Glück hatte, seine Gäste, über ein von ihm gekochtes Gericht, Tränen der Verzückung vergießen zu sehen, der, und NUR DER, weiß wovon ich rede!
Ich lass es damit erst mal Gut sein
Gruß

Rüdiger