Die Kunst der Steakzubereitung

02 – Die Kunst der Steakzubereitung

Wird man zum Steakgriller geboren oder kann man es erlernen? Wird das Fleisch von selbst so schmackhaft oder bedarf es irgendwelcher geheimer Künste, die nur der Eingeweihte vom Meister erfährt? Schon Escoffier, der Meister aller Köche, betonte: Steak grillen bedeutet nichts als Übung und Erfahrung. Mit fertigen, abgeleierten Rezepten ist es nicht getan. Sich nie zufriedengeben, auch mit dem bestgelungenen und köstlichsten Steak nicht, nur das führt die Stufen hinauf zu immer größerer Meisterschaft. Ein Steak grillen, heißt verborgene Kräfte aus dem Rohmaterial Fleisch herauszulocken. Die Glut des Feuers soll es verwandeln in lauter Säfte.   Aus dem rohen Fleisch können wir mit dem Finger kaum Saft herausdrücken. Aber das frisch gegrillte Steak darf ja nicht berührt werden! Wenn es frisch vom Feuer kommt, sind die Säfte noch in wilder Aufregung. Ist das Steak groß genug, schießt der Saft in hellem Strom heraus, sobald wir es auch nur an einer winzigen Stelle einstechen. Deshalb Vorsicht mit dem frisch gegrillten Steak! Es muss wie ein rohes Ei behandelt werden, dessen Schale leicht zerbricht. Das frisch gegrillte Steak ist wie ein pralles braunes Kissen voll aromatischer, duftender Flüssigkeit. Auf dieses volle Kissen kommt es an.   Die Erfahrung lehrt aber, dass nicht jedes Stück Fleisch die Fülle dieser Säfte enthält. Das eine ist übervoll, das andere aber hat kaum oder gar keine Säfte; es ist so trocken, dass es am Gaumen zu kleben scheint. Woran liegt das? Es kann am Koch liegen, der es nicht versteht, die Säfte zu erzeugen und zu erhalten. Zum anderen kann das Fleisch selbst die Ursache sein. Es gibt saftreiches und saftarmes Fleisch. Am besten eignet sich Rindfleisch für Steaks.   Aber auch hier müssen wir wieder unterscheiden. Das eine Stück Rindfleisch wird durch das Feuer in Minuten zart und weich, das andere gar nicht. Das hängt vom Gewebe ab. Es gibt sehnenfreies und von Sehnen durchzogenes Fleisch. Das eine Stück ist trocken, das andere ist saftreich. Dies gilt es zu erkennen und zu entdecken. Das Steakgrillen setzt Gewebe- und Anatomiekenntnisse voraus, das Gespür dafür, was gegrillt werden kann und was nicht. Das aufgeschwollene Kissen mit den Säften hat einen Höhe- und einen Tiefpunkt. Auch das Feuer selbst kann die Säfte wieder hinaustreiben, kann sie umwandeln — und dann ist das Steak zäh, dass die Zähne es nicht mehr beißen können. Auch die Zartheit hängt also mit der Saftfülle geheimnisvoll zusammen. Die ganze Kunst des Grillers liegt darin: das Steak im rechten Augenblick — es geht um Sekunden — blitzschnell vom Feuer zurückzuziehen. Das ist es, was die Franzosen a point nennen. Die Saftfülle muss ihren Höhepunkt, ihre Spitze — a point – erreicht haben.   Diese Kenntnis unterscheidet den Feinschmecker vom Unkundigen, den Kenner vom Barbaren. Das alles ist uralt. Schon die Helden des Homer wussten davon. Sie waren Meister des Steakgrillens und überließen alles Gekochte den Weibern und Kranken.  

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