Moutarde de Dijon

Moutarde de Dijon

Als hätte Rabelais, dieser ruhelose Spottgeist des 16. Jahrhunderts, es geahnt: Was lässt er dem Riesen Gargantua verabreichen? Ohne Unterlass Schaufeln voll Senf. Immer zwischen die Dutzende von Schinken, Ochsenzungen, Blut- und Leberwürste, die sich der Vielfraß als Vorspeise einverleibt.

Denn Senf wirkt -inzwischen wissenschaftlich erwiesen – höchst anregend auf Magen- und Verdauungssäfte. Bereits im antiken Alexandria schätzte man das würzige Brennen der Senfkörner und zerstieß sie wie Gewürznelken oder Koriander.

Columella – römischer Landwirt und Agrarautor, der in zwölf Büchern dem Titel »De re rustica« um 60 n. Chr. Ackerbau und Viehzucht seinerzeit beschrieb – notierte im Jahre 42 das erste überlieferte Rezept für Speisesenf – man nannte ihn mustum ardens, brennenden Saft.

Davon abgeleitet wurde das französische moutarde, das, englische mustard und das deutsche »Mostrich«. Tatsächlich lässt Senf uns Europäern also schon seit 2000 Jahren die Augen tränen, jedenfalls wenn es sich um Spitzenqualitäten handelt. Seit Karl der Große im «Capitulare de villis« den Bauern nahegelegt hatte, Senf anzubauen, spross er . Überall im einstigen Frankenreich. In Paris, wirkten bereits um 1300 zehn moutardiers, und 1650 waren es bereits 600.

Die in Dijon residierenden Herzöge von Burgund hielten es jedoch Ende des 14. Jahrhunderts für geboten, die Qualität des Senfs ihrer Stadt mittels einer Verordnung zu gewährleisten., Sie schrieb »gutes Samenkorn, in kompetenten Essig getunkt« vor. Trotz solider Reputation gewann der Dijon-Senf anderen Regionen gegenüber erst deutlichen Vorsprung, als Jean Naigeon um 1752 den Essig durch den Most unreifer Trauben – den ver jus – ersetzte. Das verlieh ihm zusätzliche Säure. Nun wurde moutarde de Dijon zum Inbegriff bester Senfqualität.

Seit 1937 garantiert die Bezeichnung die Art der Herstellung, bei welcher der Senf mindestens 28 Prozent Trockenextrakt aufweisen muss und nicht mehr als zwei Prozent Schale enthalten darf. Ein Hinweis auf den Fabrikationsort ist sie nicht, auch wenn neun Zehntel des französischen Senfs in oder bei Dijon produziert werden. Biologisch zählt Senf zur Familie der Kreuzblütler wie Radieschen, Rettich oder Kresse. Zwei Arten haben es in sich, die bei der Herstellung je nach gewünschtem Schärfegrad miteinander vermischt werden. Die sanftere
gelbliche sinapis alba gibt feine Aromen, die rotbraune brassica nigra Schärfe. Die versteckt sich in den Saatkörnern. Heute liefert Kanada, größter Senferzeuger der Welt, fast den gesamten französischen Bedarf.

Oft leicht angequetscht, um die Schale zu spalten, werden die Körner mit Branntweinessig, Wasser und Salz für mehrere Stunden angesetzt, dann gewogen, mit Gewürzen vermischt und gemahlen. Erst das eiweißartige Ferment Myrosin und Wasser bringen ätherisches Allyl-Senföl hervor, und stechende Schärfe entsteht – und vergeht, zum großen Teil wenigstens, wenn industrielle Mühlen es mit 3000 hitzigen Umdrehungen pro Minute vertreiben. Denn Hitze verträgt Senf überhaupt nicht, sein Aroma ist hochflüchtig. Dann muss Meerrettich die entwichene Schärfe ersetzen.

Frankreichs angesehenster Senfmüller mahlt in Beaune, nur 200 Meter von den berühmten Hospizien entfernt. -Die Firma Edmond Fallot beliefert die meisten französischen Drei-Sterne-Köche, auch mit eigens abgefüllten Hausmarken. Senf gilt als das universelle Gewürz par excellence. Es intensiviert den Geschmack zwar generell, aber besonders den-Von Salat-, Fleisch- und Fischsaucen. Ein guter Koch benutzt ihn immer mit Fingerspitzengefühl.


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